Quedlinburg (red). Es geht um nicht weniger als die Energieversorgung im Harz. Bei den Stadtwerken Quedlinburg knirscht es gewaltig im Gebälk. Die Fronten zwischen Geschäftsführung und Belegschaft sind verhärtet. Sind jetzt die Energielieferungen des Strom- und Gasversorgers in Gefahr?
Mitarbeiter werfen der Geschäftsleitung Mobbing vor – die Stimmung ist am Boden
Wie es derzeit aussieht, steuern die Stadtwerke Quedlinburg in eine düstere Zukunft – davon sind viele Mitarbeiter überzeugt. Aus diesem Grund haben sie einen offenen Brief an den Aufsichtsrat geschrieben. Er ist Appell und Hilferuf zugleich. Darin fordern sie nicht weniger als die Absetzung des derzeitigen Geschäftsführers Eiko Fliege, der seit 2021 im Amt ist. 90 Prozent der Belegschaft haben den Brief unterschrieben.
Fliege, so der Vorwurf, habe sich vieler Verfehlungen schuldig gemacht. Vor dem Hintergrund der Energiewende reagiere er nicht angemessen auf diese gigantische Herausforderung, heißt es. Zudem sei er wichtigen Entscheidungen aus dem Weg gegangen, habe deren Umsetzung verzögert oder sogar gänzlich verhindert.
„Völlig falsche Priorisierungen und mangelhaftes Forderungsmanagement“ – Fliege steht massiv unter Druck
Geschäftsführer Eiko Fliege sieht sich weiteren Vorwürfen ausgesetzt: So habe er Forderungen und Erstattungsansprüche bis heute nicht verfolgt und eingetrieben – die Beträge haben bereits die Millionenmarke überschritten. Zudem setze Fliege völlig falsche Prioritäten. So habe er bevorzugt Maßnahmen für das Klietz-Sportbad und den Lehof-Campingplatz getroffen. Pikant an der Sache: Die beiden neuen Attraktionen werden von der Freizeit- und Service Quedlinburg GmbH betrieben, einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke, die Fliege ebenfalls leitet.
Wie es weiter heißt, sei Mobbing bei den Stadtwerken Quedlinburg an der Tagesordnung. An der Echtheit der Berichte zweifelt im Unternehmen kaum jemand. Aufgrund dieser Arbeitsbedingungen würden zudem reihenweise Mitarbeiter – darunter hochqualifizierte Kollegen und Führungskräfte – aus Frust den Betrieb verlassen. Der Vertrauensverlust gegenüber der Geschäftsleitung scheint nicht mehr reparabel zu sein.
Stellenabbau und Überlastung: Gesamter Netzbereich seit Dezember führungslos
Das Phänomen der Massenkündigungen setzte bereits 2022 ein. Das verbliebene Personal steht unter massiver Arbeitsbelastung. Die Mitarbeiter, die noch da sind, rechnen fest damit, dass spätestens ab dem kommenden Monat nur noch 52 der vormals 74 Stellen besetzt sein werden.
Darüber hinaus weist der Aufsichtsrat darauf hin, dass der gesamte Netzbereich seit Dezember führungslos ist. Es müsse umgehend gehandelt werden. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass die Strom- und Gasversorgung aufgrund von Personalmangel und fehlender Führungsstruktur eingestellt werden muss.
Zwar verfügen die Stadtwerke Quedlinburg über ein vergleichsweise gutes Finanzpolster – dieses werde jedoch unnötig aufs Spiel gesetzt, weil in den vergangenen drei Jahren nichts unternommen wurde, um den wachsenden regulatorischen Herausforderungen zu begegnen.
Mangelhaftes Compliance-Management und intransparente Vergaberichtlinien bringen das Unternehmen in Gefahr
In dem offenen Brief wird der Aufsichtsrat aufgefordert, in der nächsten Sitzung am 1. April ein Machtwort zu sprechen und die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Denn die Baustellen des Unternehmens sind vielfältig. So verfügen die Stadtwerke Quedlinburg über keine funktionierende Compliance-Abteilung, was das Risiko von Klagen gegen das Unternehmen bei Regelverstößen erhöhen könnte.
Auch die Stadtverwaltung ist mittlerweile in die Angelegenheit eingebunden. Wie aus Medienkreisen bekannt wurde, hat der Oberbürgermeister der Stadt Quedlinburg, Frank Ruch (CDU), die Rechtsabteilung angewiesen, einen entsprechenden Bericht zum offenen Brief zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage will der OB eine Empfehlung abgeben.
Eiko Fliege hält sich indes bedeckt. Wie verlautet, sei sein oberstes Ziel, Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Es habe für ihn höchste Priorität, die Vorwürfe in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat sauber und lückenlos aufzuarbeiten.
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