Goslar (red). Es ist schon Tradition geworden, dass die Goslarer Umweltverbände BUND und NABU und der Verein Spurensuche Harzregion e.V. am Jahresende über einen Teil des Goslarer Fliegerhorstes und zu den dortigen militärischen und zivilen Sachzeugen sowie zum illegalen Abfalllager mit Boden und Bauschutt führen. In diesem Jahr fand der Spaziergang am 28.12.2024 statt – über 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger fanden sich ein. Als Fachberater war der örtliche Altlastenexperte Frank Jacobs eingeladen.
Annett Jerke, Dr. Friedhart Knolle und Michael Ohse führten die Gruppe und informierten am Startpunkt, dem Sinaida-Fokstein-Weg Ecke Am Sachsenhai zunächst über die Geschichte der ehemaligen Zwangsarbeiterin Sinaida Dahle, geb. Fokstein, die aus Charkow in der heutigen Ukraine verschleppt wurde und beim nahegelegenen Grauhof-Brunnen unter gefängnisartigen und menschenverachtenden Bedingungen arbeiten musste.
Weiter ging es über Görgweg und Zehntweg zu einer Bohrung, an der das nur knapp unter der Erdoberfläche befindliche wertvolle Grundwasservorkommen angesprochen wurde, das lange Zeit den Mineralwasserbetrieb Harzer Grauhof-Brunnen versorgte. Edeka plant die Wiederbelebung des Grauhof-Brunnens – daher ist die Wasserqualität und der Schutz dieses Wasservorkommens von großer Bedeutung. Die Fachleute berichteten, dass im Grundwasser bereits Spuren von Medikamentenrückständen und auch Pflanzenschutzmittel nachgewiesen worden sind – Wasserschutz tut daher Not.
Die Wandergruppe umrundete sodann den historischen Schießplatz des Fliegerhorstes, der schon dem Hannoverschen Jägerbataillon diente und dann in der NS-Zeit massiv ausgebaut wurde. Die hier befindliche kleine Siedlung Görgweg war Teil dieser militärischen Gesamtanlage. Mitten auf dem Wanderweg bemerkte die Gruppe einen fauligen Geruch – beim Weitergehen verlief der Weg an einer Baugrube vorbei, bei der zahlreiche Abwasserrohre lagen. Offenbar ist die hier verlegte Abwasser-Druckleitung von EURAWASSER defekt. Dass die Baustelle seit einiger Zeit zu ruhen scheint, obwohl doch Gefahr im Verzug für das sensible Wasservorkommen ist, führte zur Ankündigung einiger mitwandernder Ratsherren, der Sache nachgehen zu wollen.
Weiter ging es zum illegalen Abfalllager von etwa 7.000 Quadratmetern Größe, das wir jedoch nicht betreten dürfen, weil uns das die Eigentümerin, die Firmengruppe Bruns, untersagt hat. Hier wurden Neuigkeiten zum Stand der behördlichen Ermittlungen zu dieser ungenehmigten Ablagerung anhand von Luftbildaufnahmen mitgeteilt. Die Deponie, die bereits lange als Altlast existierte, wurde dann von der Luftwaffe, später den Alliierten und anschließend von der Bundeswehr genutzt, bevor die von der Stadt Goslar beauftragten Baufirmen eine ungenehmigte Ablagerung von belastetem Boden und Bauschutt unter den Augen der zuständigen Kommune und der Behörden anlegten, die dann später niemand bemerkt haben wollte. Im und am hier verlaufenden kleinen Bach, der in Richtung des Klosterguts Grauhof fließt, wurden von verschiedenen Gutachtern deutlich erhöhte Gehalte an krebserregenden PAKs festgestellt. Wenn man genau hinschaute, fanden sich noch Übungspatronen aus der Bundeswehrzeit. Da während der Zeit der militärischen Nutzung hier auch die Abfälle der Fliegerhorst-Lazarette entsorgt worden sind, könnten die Spuren der Medikamentenrückstände im Grundwasser von dieser Deponie kommen. Darüber und über Lösungsmöglichkeiten wurde rege diskutiert.
Die Gruppe besuchte dann die ehemalige Nordwache des Fliegerhorstes und den dahinter befindlichen ehemaligen Kleinkaliber-Schießstand an der Funkmeisterei gegenüber der ehemaligen Fernmeldezentrale. Sie wurde, obwohl teilweise denkmalgeschützt, für einen Neubau abgerissen. Die hier kreuzende Walter-Krämer-Straße und die Nebenstraße Karl-Peix-Weg haben ihren Namen nach zwei im Bereich des Fliegerhorstes ermordeten Widerstandskämpfern, die im nahegelegenen Außenlager Goslar des KZ Buchenwald Zwangsarbeit leisten mussten. Walter Krämer wurde durch seine posthume Ehrung als „Gerechter unter den Völkern“ der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem weltbekannt.
Die Wanderung endete mit einem Rundgespräch bei einem Punsch an der heute zum Wohnhaus umgebauten Schießstandshütte am Görgweg. Von zahlreichen Teilnehmern wurde der Wunsch nach weiteren Informationen und nach einer Wiederholung des Spaziergangs im nächsten Jahr geäußert.
Fotos: Eble