Wenn man durch Braunlage fährt, ahnt man kaum, welch tiefe Geschichten sich hinter einer unscheinbaren Tür in einem Wohngebiet verbergen. Doch betritt man die Diakonie Station Braunlage, öffnet sich eine Welt, in der nicht nur gepflegt, sondern zugehört, gelacht, geweint und gelebt wird. Es ist ein Ort, an dem einsame Seelen neue Freunde finden, über Kreuzworträtseln Erinnerungen wach werden – und manchmal alte Bekanntschaften nach Jahrzehnten wieder aufleben.
Zwischen Frühstück und Freundschaft: Ein Tagesablauf voller Leben
Jeden Morgen beginnt in der Tagespflege ein kleines Wunder. Die Gäste, manche gebracht von Angehörigen, andere per Fahrdienst, trudeln nach und nach ein. Um 9 Uhr duftet es bereits nach frischem Kaffee und Brot – das gemeinsame Frühstück markiert den liebevollen Start in den Tag. Doch hier wird nicht nur gegessen, sondern erzählt, gelacht, zugehört. Es wird aus der Zeitung vorgelesen, gemeinsam gerätselt und Erinnerungen geteilt, die das Herz berühren.
Danach beginnt die kreative Stunde: Ob Basteln, Gesellschaftsspiele, leichte Gymnastik im Garten oder ein Spaziergang an der frischen Harzluft – das Programm richtet sich ganz nach den Gästen. Die Betreuer sind sensibel genug, Stimmungen aufzufangen und flexibel zu reagieren. „Manchmal braucht jemand einfach nur einen ruhigen Moment – dann setzen wir uns zu zweit auf die Bank. Und das ist oft mehr wert als jede Aktivität“, erzählt eine Mitarbeiterin.
Nach dem Mittagessen folgt eine wohlverdiente Mittagsruhe, ehe Kaffee und Kuchen den Nachmittag einläuten. Wieder wird gelacht, gespielt, manchmal ein Film geschaut. Im Sommer verwandelt sich der Garten in eine kleine Bühne des Lebens: Wurfspiele, Lieder, Bewegung – stets mit einem Lächeln.
Die Tagespflege bekommt auch manchmal Besuch, z. B. vom Singkreis Braunlage oder der Kindertanzgruppe des Harzclubs Hohegeiß um die Nachmittage zu unterhalten.
Entlastung für Familien – und eine zweite Familie für viele
Die Tagespflege ist mehr als ein Betreuungsangebot – sie ist ein sicherer Hafen. Für die Angehörigen bedeutet sie Entlastung, Raum zum Durchatmen. Sie wissen ihre Liebsten von 9 bis 16 Uhr in besten Händen. Besonders für Menschen mit Demenz ist die kontinuierliche, strukturierte Betreuung eine Rettung – und für ihre Familien eine Pause von der kräftezehrenden 24-Stunden-Versorgung.
Und dann sind da jene Geschichten, die unter die Haut gehen: Senioren, die sich nach Jahrzehnten wiedersehen. Früher zusammen im Harzclub, heute gemeinsam am Kaffeetisch. Freundschaften, die neu entstehen. Für viele Gäste ist die Diakonie Station zur Ersatzfamilie geworden – denn nicht selten leben die eigenen Kinder längst fern, in Großstädten wie Hamburg oder München. Hier, mitten im Harz, begegnen sich Menschen auf Augenhöhe – mit Herzlichkeit und Respekt.
Ambulante Pflege mit Herz und Verstand
Neben der Tagespflege betreut das Team auch rund 135 Klientinnen und Klienten ambulant – mit einem Anspruch, der weit über das Standardprogramm hinausgeht. Es wird eingekauft, begleitet, zugehört, geholfen bei Anträgen und Amtsgängen. Und manchmal einfach nur geredet. „Viele unserer Klienten haben kein Zeitgefühl mehr. Für sie zählt, dass jemand da ist, der zuhört“, erzählt Pflegedienstleiterin Ines Riedel. Das Team entscheidet nach Priorität: Was ist heute wirklich wichtig? Essen, Trinken, Medikamente – vor einem sauberen Treppenhaus. Mensch vor Maßnahme.
Einfühlungsvermögen und klare Kommunikation prägen die Arbeit der Diakonie Station. Auch wenn es heißt, Grenzen zu setzen: „Nicht jeder Anruf am Sonntag ist ein Notfall.“ Doch das Vertrauen der Braunlagerinnen und Braunlager in „ihre“ Diakonie ist groß.
Verwurzelung in der Region und Engagement mit Herz
Seit 1986 ist die Diakonie Station fester Bestandteil von Braunlage. Viele Mitarbeiterinnen sind seit Jahrzehnten dabei, wie Ines Riedel, die einst als Aushilfe begann. Ein Arbeitsplatz, der nicht nur Beruf, sondern Berufung ist. Seit 2016 ist die Einrichtung als GmbH eigenständig – doch die enge Verbindung zur Kirche und zur Region bleibt.
Auch über die Pflege hinaus engagiert sich die Diakonie-Station: Gestaltung von Gottesdiensten in der Trinitatiskirche Braunlage, Teilnahme an der Stadtmeisterschaft für Firmen und Vereine des Schützenvereins Braunlage und beim Eisstockschießen des Skiclubs Hohegeiß. Kooperation mit dem Sozialfonds Braunlage und dessen kostenloser Lebensmittelausgabe „gedeckter Tisch“. – all das gehört zum gelebten Alltag. Und auch Menschen, die ihre Sozialstunden ableisten oder einfach ehrenamtlich helfen wollen, finden hier eine sinnstiftende Aufgabe.
Denn was zählt, ist nicht der Dienstplan. Was zählt, ist der Mensch.
Telefonnummer: 05520 930115
E‑Mail: diakonie@trinitatisgemeinde.de
Website: www.trinitatisgemeinde-braunlage.de