Wenn Stefan Klockgether Carillon spielt, scheint er Raum und Zeit zu vergessen. Seine Hände fliegen förmlich über den Stockspieltisch, sein Oberkörper geht mit, wenn er die Füße einsetzt und der Melodie folgt. Es ist ein sehr berührender Klang, den er dem Instrument, einer Mischung aus Klavier und Orgel, entlockt. Möglich sind prinzipiell alle musikalischen Genres – von Chorälen über Pop und Filmmusiken, bis zur Neuen Deutschen Welle. Die Grenze bestimmt der Musiker. “Volksmusik ist nicht so meins, aber einzelne Lieder sind schon in Ordnung.” Sein Lieblingsstück ist das Präludium auf F.W. Schilling von Leen’t Hart. „Das Spielen erfordert viel Konzentration – und ist gleichzeitig ein schöner Ausgleich zu meinem Beruf als Lehrer“, sagt der 48-jährige Hahnenkleer. Begonnen hat die Leidenschaft 2002, als zusammen mit Kantor Martin Hofmann die Idee entstand, ein Glockenspiel nach Hahnenklee zu holen. Seine Ausbildung im Carillonspiel hat Stefan Klockgether in Kassel begonnen, später lernte er den bekannten Carilloneur Jan Verheyen aus Belgien kennen, der die deutsche Carillonklasse unterrichtet. Denn seit gut zwei Jahren gibt es nun schon die Hahnenkleer Glockenspielschule, die sich großer Beliebtheit erfreut und eine sinnvolle Nachnutzung des alten Pfarrhauses mit sich bringt – inklusive Übernachtungsmöglichkeiten. Viermal im Jahr finden Workshops in Hahnenklee statt. Ein Schild am Glockenturm verrät dann, dass am Hahnenkleer Carillon unterrichtet wird. Die Besucher, die zur Stabkirche kommen, können live die Fortschritte der Schüler*innen am Instrument hören.
Das Carillon in Hahnenklee ist schon eine Besonderheit: ein großes Turmglockenspiel, von denen es in Deutschland bisher nur etwas über 50 Stück gibt. Die Glockenspielkunst stammt ursprünglich aus Flandern, dem heutigen Belgien, und wird dort als immaterielles Kulturerbe unter anderem in der Königlich Belgischen Carillonschule von Mechelen bei Brüssel gepflegt und gelehrt. Das Hahnenkleer Instrument umfasst 49 Glocken mit einem Gesamtgewicht von etwa 2,5 Tonnen. Sie sind in der Glockenkammer in einem separaten Glockenturm untergebracht.
Das Turmglockenspiel erklingt live in der Regel jeden Samstag um 15 Uhr und vor dem sonntäglichen Gottesdienst ab etwa 10.40 Uhr und kann unter freiem Himmel vor der Stabkirche mitverfolgt werden.
In diesem Jahr feiert das Hahnenkleer Carillon außerdem seinen 20. Geburtstag mit einer Konzertreihe.
JUBILÄUMSVERANSTALTUNGEN
Himmelfahrt: Donnerstag, 29. Mai
13 — 16 Uhr — Besichtigung & Empfang in der Hahnenkleer Glockenspielschule
16.30 Uhr — Gottesdienst am Glockenturm mit Pastor Thon-Breuker
19.30 Uhr – Carillonkonzert Imagination in Bronze
Werke u.a. von Rachmaninov, Liszt, Geert D’hollander, Peter Pieters,
Leslie Bricusse und Paul Williams
live auf dem großen Turmglockenspiel der Stabkirche
Jasper Depraetere (Mechelen/Belgien)
Konzert unter freiem Himmel
Donnerstag, 19. Juni, 19:30 Uhr
Carillonkonzert — Play-A-Long Glockenkonzert
Bei diesem Konzert hört man nicht nur zu, man muss auch die Ärmel hochkrempeln! Es verspricht ein einzigartiger und abwechslungsreicher Abend zu werden. Carillonneur Jan Verheyen spielt das Turmglockenspiel, er bringt aber auch den zehnköpfigen Handglockenchor Bellness aus Belgien mit und lädt das Publikum zum Mitspielen ein.
Auf dem Programm stehen einige Carillonstücke u.a. der Komponisten Ronald Barnes und John Courter, Volkslieder für Handglocken und Pachelbels interaktiver Kanon.
Jan Verheyen (Hasselt / Belgien) — Turmglockenspiel
Handglockenchor Bellness (Belgien)
Konzert unter freiem Himmel
Donnerstag, 10. Juli, 19:30 Uhr
Carillonkonzert — Structures 2.0
Renaissancemusik, Goldberg-Variationen und neue Musik für Blockflöte und Turmglockenspiel von Jacob van Eyck, Jan Sebastian Bach und Agnieszka Stulgińska
Wood & Bronze ist ein Instrumentalisten-Duo mit Verbindungen zu Gdańsk (Danzig), Polen, das seine Aktivitäten 2017 während des Danziger Glockenspielfestivals begann. Das Ensemble ist spezialisiert auf die Aufführung von Renaissance- und Barockmusik sowie zeitgenössischer Musik.
Ensemble „Wood & Bronze“ (Danzig / Polen)
Katarzyna Czubek — Blockflöten
Anna Kasprzycka — Carillon
Konzert unter freiem Himmel
Donnerstag, 31. Juli, 19:30 Uhr
Carillonkonzert — Bekannte Melodien auf dem Carillon serviert
live auf dem großen Turmglockenspiel der Stabkirche
Frank Müller (Magdeburg)
Konzert unter freiem Himmel
Samstag, 16. August, 19:30 Uhr
Carillonkonzert — Dancing in the Wind
Dieses Programm trägt den Titel „Dancing in the Wind“. Es spiegelt wider, wie wir oft der Stimme des Glockenspiels begegnen — nicht direkt, sondern sanft durch die Brise, oft in Fragmenten ankommend und dann genauso leise verblassend. Das Publikum ist eingeladen, jedes Stück an diesem Abend als etwas zu betrachten, das im Wind driftet — manchmal klar, manchmal schwer fassbar, manchmal beruhigend, manchmal seltsam.
Werke u.a. von Sybrandus van Noordt, Johann Pachelbel, Staf Nees, Jos Lerinckx, Joey Brink, Alan Menken und Edward Elgar.
Joseph Min (USA), Gewinner des Königin-Fabiola-Wettbewerbs 2024 in Belgien. Konzert unter freiem Himmel
Donnerstag, 21. August, 19:30 Uhr
Carillonkonzert — Echoes of Lithuania: From Folk Traditions to Impressionist Visions
Dieses fesselnde Glockenspielkonzert zeigt die reiche Vielfalt der litauischen Musik, in der sich traditionelle Volksharmonien mit der lyrischen Schönheit romantischer und impressionistischer Kompositionen verbinden. Die Zuhörer werden durch die Zeit reisen, von den alten sutartinės (mehrstimmigen Volksliedern) bis zu den visionären Werken von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (150. Geburtstag). Auf dem Programm stehen auch stimmungsvolle Stücke von Juozas Naujalis, Balys Dvarionas und zeitgenössischen litauischen Glockenspielern wie Giedrius Kuprevičius. Das Konzert schließt mit Slava Ukraini!, einer musikalischen Geste der Solidarität und Hoffnung, die von Herzen kommt.
Austėja Staniunaitytė-Proietta (Kaunas/Litauen)
Konzert unter freiem Himmel
Foto: Mareike Spillner