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Was es mit dem Giersch in Gern­ro­de auf sich hat

Vor vie­len hun­dert Jah­ren leb­te in Gern­ro­de ein Bau­er, Gero Hirsch mit Namen. Er hat­te nicht viel, aber auch nicht wenig und gab ger­ne, so viel er konn­te. Aber mit die­sem Bau­ern war‘s nicht rich­tig, denn er gab auch, wenn er kaum mehr etwas zum Geben hat­te. Ja, es war all­ge­mein bekannt, dass ein „Nein“ nie über sei­ne Lip­pen kam und er irgend­wie mit zu viel Güte im Her­zen gebo­ren wur­de. So for­der­te die Äbtis­sin des Stifts nicht nur den Zehnt von ihm, son­dern nahm unge­fragt das Dop­pel­te. Der Gemein­de­rat lieh zwei sei­ner Kühe, ver­gaß aber, sie zurück­zu­ge­ben und der Bau­er, getrau­te sich nicht, sie zu for­dern. — Eines schö­nen Tages hielt eine Kut­sche neben sei­nem Hof, der Stifts­haupt­mann Qued­lin­burgs wink­te ihn her­an, befahl Trink­was­ser her­bei­zu­schaf­fen, denn es quäl­te ihn gewal­ti­ger Durst. Prompt kam Eli­sa­beth, das schö­ne ange­trau­te Weib des Bau­ern Hirsch, mit einem Krug bes­ten Quell­was­sers und gab dem Edlen zu trin­ken. Der Stifts­haupt­mann aber, kaum hat­te er in das Ant­litz der Frau gese­hen, ver­gaß sei­nen Durst und befahl dem Bau­ern, dass sich des­sen Weib umge­hend in den Dienst als sei­ne Kam­mer­frau zu stel­len habe. Unfä­hig dem hohen Befehl etwas ent­ge­gen zu set­zen, muss­te der Bau­er mit anse­hen, wie sei­ne Frau auf der Kut­sche des Stifts­haupt­manns gen Qued­lin­burg fuhr.

 

Was soll­te er auch tun? Das Die­nen war schließ­lich sei­ne Pflicht, oder nicht? Unfä­hig etwas gegen das Unrecht zu tun und unfä­hig zu wei­nen, arbei­te­te er für vier, aber nur drei Mon­de lang, dann schmerz­ten sei­ne Gelen­ke und schwol­len aufs Dop­pel­te ihrer Grö­ße an. Bald dar­auf, konn­te er sich kaum mehr ohne Schmer­zen wen­den, und sei­ne Hän­de die das schwe­re Schaf­fen gewohnt waren, konn­ten kaum mehr etwas grei­fen. Fest waren sie zu Fäus­ten ver­krampft. Nur eine Kräu­termuh­me wuss­te Rat: „Star­re zieht in die Gelen­ke ein? Da kannst Du lang‘ auf Lin­de­rung war­ten. Bau­er, du hast das Zip­per­lein, doch Hei­lung wächst in dei­nem Gar­ten!“ Sie emp­fahl zu schau­en, wel­che Kräu­ter in den letz­ten drei Mon­den ver­stärkt die Bee­te füll­ten. „Hirsch ver­steh‘, dass es sich so ver­hält, dass bei dir wächst, was du im Glück und Leid bestellt!“ – Tat­säch­lich, ein genau­er Blick in sei­nen Gar­ten ließ ihn wach wer­den. Hier wuchs tat­säch­lich ein neu­es Kraut – in allen Ecken. Er aß die fri­schen, trank sei­nen Tee aus den tro­cke­nen und ließ sich aus zer­quetsch­ten Blät­tern Wickel auf alle schmer­zen­den Glie­der legen.

 

Nach drei Tagen – dem Gott im Him­mel sei gedankt – war der Schmerz ver­ges­sen und er fühl­te sich so frisch und kräf­tig wie nie zuvor. Am glei­chen Tag besuch­te er den Stifts­haupt­mann zu Qued­lin­burg und for­der­te sein Weib zurück. „Die Frau bleibt!“, sag­te der Edel­mann und jetzt geschah das Unfass­ba­re. Gero Hirsch sag­te ent­schie­den „Nein!“ und es kam ihm ganz leicht von den Lip­pen und füg­te hin­zu: „An ihrer statt möch­te ich ihnen die­nen.“ Auch die Kühe bekam er mit dem Zins zwei­er Käl­ber zurück, ver­kauf­te sei­nen Hof in Gern­ro­de und zog nach Qued­lin­burg, wo die Hirsch’s noch immer woh­nen. Natür­lich hat sich das Wun­der der schnel­len Hei­lung des zuvor tot­kran­ken Gero Hirsch rasch her­um­ge­spro­chen.

 

Und weil die Har­zer zu viel zu tun haben, um jede Sil­be lang­sam aus­zu­spre­chen (ande­re sagen schlicht, sie nuscheln),

War bald die Geschich­te vom „Ger­hiersch“ und schließ­lich vom „Giersch“ in allen deut­schen Lan­den bekannt. Der „Giersch“ ist ein schmack­haf­tes Heil­kraut gegen Rheu­ma und Gicht, weiß man heu­te. Aber schon bei den Römern war Giersch als Gemü­se (Spi­na­ter­satz) und als Heil­pflan­ze beliebt. In Klös­tern wur­de er sogar ange­baut, doch damit seid vor­sich­tig: Wächst er ein­mal im Gar­ten wer­det ihr ihn nie wie­der los. Es gibt nur eine ein­zi­ge Mög­lich­keit sich wie­der vom Giersch zu tren­nen: Umzie­hen! (dem Vol­ke abge­lauscht und auf­ge­schrie­ben von Cars­ten Kieh­ne in sei­nem Buch “KRÄU­TER­SA­GEN AUS DEM HARZ”,

 

Foto: Pix­a­bay

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