Die Tafeln in Deutschland stehen derzeit im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten – nicht nur wegen wachsender Bedürftigkeit, sondern auch aufgrund populistischer Angriffe auf den Sozialstaat. In sozialen Netzwerken mehren sich kritische Stimmen, die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, pauschal verurteilen. So wurde etwa behauptet, dass Bürgergeldempfänger ihr Geld für Zigaretten und Tattoos ausgeben und daher keine Hilfe bräuchten. Ein Beispiel, das besonders herausstach, war der Vorwurf, Tafel-Kundinnen und ‑Kunden hätten sich massenhaft mit Ananas eingedeckt – während arbeitende Menschen sich diese Frucht nicht leisten könnten.
Lebensmittel retten, Würde wahren
Die Tafeln verfolgen ein doppeltes Ziel: Sie geben Lebensmittel vergünstigt an Menschen weiter, die sich wenig leisten können – und sie retten Waren, die andernfalls in den Müll wandern würden. Wenn Märkte etwa zu viele Ananas einkaufen und diese nicht verkaufen können, landen sie bei der Tafel. Dass an einem Tag viele Menschen mit einer Ananas nach Hause gehen, ist daher kein Zeichen von Überfluss, sondern Ergebnis eines funktionierenden Verwertungssystems. Auch hochwertigere Produkte wie Kaviar oder Champagner könnten theoretisch dort auftauchen – wenn auch selten.
Armut in einem reichen Land
Die Entstehung der Tafeln geht auf die Einsicht zurück, dass Deutschland gleichzeitig mit Lebensmittelverschwendung und wachsender sozialer Ungleichheit zu kämpfen hat. Die ehrenamtlich organisierte Hilfe richtet sich insbesondere an Kinder aus armutsgefährdeten Familien sowie Rentnerinnen und Rentner mit geringen Bezügen. Die Zahl der Tafeln ist in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegen – von rund 250 um die Jahrtausendwende auf inzwischen fast 1000. Die Osteroder Tafel betreibt elf Ausgabestellen in der Region, mit kontinuierlich wachsender Nachfrage.
Kritik am politischen Umgang mit Armut
Die wachsende Bedürftigkeit ist nicht das Ergebnis mangelnder Leistungsbereitschaft, sondern Ausdruck einer sich vertiefenden sozialen Kluft. Viele Menschen kommen trotz Arbeit oder Rente finanziell nicht mehr über die Runden. Vor diesem Hintergrund sorgt es für Unverständnis, wenn politische Akteure Menschen mit geringem Einkommen als Belastung für das System darstellen. Besonders bitter: Viele der Ehrenamtlichen, die bei der Tafel mitarbeiten, leben selbst nahe an der Armutsgrenze – und stemmen dennoch eine Aufgabe, die der Staat bislang nicht ausreichend erfüllt.
Tag der offenen Tür bei der Tafel in Osterode
Am Samstag, 13. September, lädt die Osteroder Tafel zum Sommerfest mit Tag der offenen Tür ein. Von 11 bis 15 Uhr können Interessierte das Gelände an der Abgunst 2 besuchen, mit Mitarbeitenden ins Gespräch kommen und sich ein eigenes Bild von der Arbeit machen. Neben Slush-Eis, Gegrilltem, Lyrik und einer Hüpfburg gibt es auch Unterhaltung – unter anderem vom komischen Kellner von Pico Bello. Ob wieder Ananas im Angebot sind, bleibt abzuwarten.