Die Thüringer Landesregierung will Kinder und Jugendliche besser vor den Risiken sozialer Medien schützen und kündigt dafür die Einrichtung sogenannter „digitaler Schutzräume“ an. Ziel des landesweiten Programms ist es, Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren verstärkt vor problematischen Inhalten, Cybermobbing und übermäßigem Medienkonsum zu bewahren – und gleichzeitig ihre digitale Mündigkeit zu fördern.
Neue Präventionsstrategie gegen digitale Überforderung
Bei einer Pressekonferenz stellte das Bildungs- und Jugendministerium) das Konzept vor. Aus dem Ministerium hieß es: “Kinder wachsen heute mit Smartphones auf, doch viele sind den Mechanismen sozialer Netzwerke schutzlos ausgeliefert. Mit unseren Schutzräumen wollen wir einen sicheren Gegenpol schaffen – analog und digital.”
Das Programm basiert auf drei Säulen:
1. Medienfreie Schutzräume an Schulen und Horten
In jeder Schule und jedem Hort sollen feste Zeiten und Räume geschaffen werden, in denen keine Handys oder Tablets erlaubt sind – zugunsten analoger Aktivitäten, sozialer Interaktion und kreativer Entfaltung.
2. Digitale Bildungsangebote zur Medienkompetenz
Neue Unterrichtsmodule ab Klassenstufe 3 sollen Kinder altersgerecht über Risiken wie Datenschutz, Algorithmen, Schönheitsideale und Fake News aufklären. Pädagog:innen erhalten dafür spezielle Fortbildungen.
3. Psychosoziale Anlaufstellen für betroffene Kinder
In Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeit, Jugendämtern und externen Partnern sollen landesweit niedrigschwellige Beratungsangebote entstehen – insbesondere für Kinder, die unter Cybermobbing oder Social-Media-Druck leiden.
Politische und gesellschaftliche Rückendeckung
Das Schutzraum-Programm stößt im Landtag auf breite Unterstützung. Auch aus der Opposition kommen positive Signale. Die CDU-Fraktion lobte den Fokus auf Prävention, mahnte jedoch an, “nicht in Symbolpolitik zu verfallen, sondern konkrete Hilfen bereitzustellen.” Die Linke sprach von einem „wichtigen Schritt zur digitalen Kindheit mit Verantwortung“.
Auch Elternvertreter und Kinderärzte begrüßen den Vorstoß. Die Thüringer Landeselternvertretung betonte, dass der Druck durch Likes, Filter und ständige Erreichbarkeit bereits Kinder im Grundschulalter betreffe.
Dr. Anja Lenz, Kinderpsychologin in Jena, sagte: “Wir sehen immer mehr Kinder mit Angststörungen oder Selbstwertproblemen, die direkt auf Social-Media-Nutzung zurückzuführen sind. Schutzräume sind wichtig – aber sie müssen pädagogisch begleitet werden.”
Kritische Stimmen: „Eltern nicht aus der Pflicht nehmen“
Einige Medienpädagogen mahnen jedoch zur Balance. Der Erfurter Medienwissenschaftler Prof. Tobias Berg kritisierte, dass solche Maßnahmen „nicht die elterliche Verantwortung ersetzen
dürfen.“ Vielmehr müsse man Familien aktiv einbinden, etwa durch Elternabende oder verpflichtende Informationsangebote.
Auch die Netzpolitik-Initiative „Digitale Freiheit Thüringen“ sieht das Vorhaben ambivalent: “Wir begrüßen den Schutzgedanken, warnen aber vor übermäßiger Kontrolle oder einem Rückfall in medienfeindliche Reflexe. Kinder brauchen Anleitung – keine Abschottung.”
Wie das Vorhaben zeitlich und finanziell gestaltet werden soll
Für die Umsetzung stellt das Land Thüringen zunächst 8 Millionen Euro aus dem Kinder- und Jugendetat bereit. Die ersten Pilotprojekte sollen ab dem Schuljahr 2026/27 in den Landkreisen Nordhausen, Saalfeld-Rudolstadt und dem Ilm-Kreis starten. Eine landesweite Ausweitung ist ab 2028 vorgesehen – vorbehaltlich einer positiven Evaluation.
Mit dem Programm für „digitale Schutzräume“ positioniert sich Thüringen als Vorreiter im Bereich des präventiven Kinder- und Jugendschutzes im digitalen Raum. Es geht nicht um ein Verbot von Social Media, sondern um eine bewusste Entlastung und Stärkung junger Menschen in einer zunehmend digitalen Welt. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, Schule, Familie und Gesellschaft dabei gemeinsam in die Verantwortung zu nehmen.