Bereits 1849 gründete der eifrige Kaufmann Theodor Grimm eine Fabrik für Tabakwaren aller Art, und spezialisierte sich recht bald auf die Herstellung von Kautabak, weil das einen reißenden Absatz versprach. „Kautabak ist für Menschen, die Zigaretten mögen, aber hungrig sind“, pflegte Grimm lachend zu sagen und fand bald einen Mitstreiter, Adolf Triepel, dessen Lieblingsgemüse ebenfalls der Tabak war. Gemeinsam schufen die Brüder im Geiste das erfolgreiche Unternehmen „Grimm & Triepel Kautabak“, dass sie Mangels Erben im Jahre 1881 an Otto Kruse verkauften. Man sagt, er hätte die Beiden durch einen einzigen Spruch von sich überzeugt, der da war: „Zuerst schuf Gott den Mann. Danach erschuf er die Frau. Dann tat ihm der Mann leid und er gab ihm den Tabak!“
Kruse aber war ein ganz eigensinniger Geist, hatte zwar einen guten Geschmack – zumindest was den Tabak anbelangte – aber schlechte Augen und ein noch viel schlechteres Gehör. Man könnte meinen, er wollte nicht auf andere hören und noch viel weniger am Weltgeschehen teilhaben. Seine Welt war Nordhausen und der Tabak, weshalb er weder Radio hörte noch Zeitung las. Was ihm in den Sinn kam, das setzte er durch und plante und investierte und baute und vergrößerte, bis er über 1.800 Leute beschäftigte, jährlich ca. 65 Millionen Packungen Kautabak vertrieb und die größte Kautabakfabrik Europas aus dem Boden gestampft hatte. Immer wieder pflegte er seinen Söhnen zu sagen: Tabak rauchen verdirbt die Tapeten, Zeitungen lesen verdirbt den Charakter – Tabak kauen, ist wie beten, was Gott ihm sagt, das macht er!“
„Aber Vater“, hatten ihn seine Söhne irgendwann ungläubig gefragt, „alle Welt ist Pleite gegangen, warum du nicht? Warum hast du als einziger investiert, als alle ihr Geld zurückhielten, horteten und dennoch an der Börse verloren? Wie konnte >Grimm und Triepel< expandieren trotz der größten Finanzkrise der Welt???“ – „Oh“, sagte der erfolgreiche Vater aufhorchend, der ja weder Zeitungen las, noch Radio hörte und sich nie hat in seine Geschäfte reinreden lassen. „Es gab eine Finanzkrise? Das habe ich gar nicht mitbekommen?“
So hatte die Kautabakfabrik Nordhausens überlebt, weil ihr Besitzer die Krise verschlief und wachblieb für Chancen. – Die ehemalige Fabrik kannst du heute als Museum „Tabakspeicher“ besuchen.
Vorabdruck aus: “Sagenhaftes Nordhausen” von Carsten Kiehne, Erscheinungsdatum Mitte 2026
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