Osterode (red). Vor 35 Jahren fiel die Mauer und auch im Südharz wurde die deutsch-deutsche Grenze geöffnet. Aus diesem Anlass hat der Osteroder Stadtarchivar Ekkehard Eder einen Vortrag erarbeitet, der auf dem Youtube-Kanal „Geschichte Osterode am Harz“ veröffentlicht wurde ( https://youtu.be/ptNJLKPhKgk ).
Noch im Januar 1989 hatte der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker verkündet: „Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind.“ Die „Gründe“ wurden beseitigt, wenn auch ganz anders, als sich das die SED-Führung vorstellte. Im Sommer 1989 setzte eine seit dem Mauerbau nicht gekannte Fluchtbewegung aus der DDR ein. Über Ungarn, das seine Grenzsperren schrittweise abbaute, flohen Tausende Deutsche in die Freiheit. Andere fanden den Mut, sich der Oppositionsbewegung anzuschließen und unter dem kraftvollen Motto „Wir sind das Volk“ den Vertretern des Honecker-Regimes zu zeigen, dass ihre Zeit abgelaufen war. Unter dem Druck der Massendemonstrationen brach die SED-Herrschaft zusammen. Am Abend des 9. November 1989 wurde zunächst die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin geöffnet.
In den folgenden Tagen wurde der bis dahin fast unüberwindliche „Eiserne Vorhang“ für Millionen von Menschen durchlässig und verschwand schließlich bis auf wenige museale Reste vollständig. Am Abend des 11. November 1989 wurde auch die Grenze bei Walkenried geöffnet. Schon am Vorabend hatte man den Übergang zwischen Teistungen und Duderstadt freigegeben. Ein unvorstellbarer Strom von Besuchenden aus der DDR kam nach Osterode am Harz.
Die Parkplätze im Osteroder Stadtgebiet standen voller DDR-Autos – vor allem Modelle der Typen Trabant und Wartburg waren zu sehen. Viele Besucherinnen und Besucher übernachteten hier trotz der empfindlichen Kälte in ihren Autos. Die Begeisterung über die Ereignisse löste aber auch eine große Welle der Hilfsbereitschaft aus. So luden zahlreiche Osteroderinnen und Osteroder ihnen bis dahin unbekannte DDR-Bürger ein und boten ihnen warme Schlafplätze an. Auch in der Turnhalle des Gymnasiums richtete man Schlafplätze für die Besuchenden ein. Solidarität wurde in diesen außergewöhnlichen Tagen tatkräftig und spontan geübt.
Osterode war in jenen Monaten Ende 1989 / Anfang 1990 voller Menschen. Die Besucherinnen und Besucher aus der DDR nutzten die Gelegenheit, sich hier mit Waren zu versorgen, die es in der sozialistischen Mangelwirtschaft nicht ausreichend gab. Auf den Straßen waren überall bislang ungewohnte Dialekte – sei es Thüringisch oder Sächsisch – zu hören. Und die Luft war erfüllt von dem Geruch und dem Klang der Zweitaktmotoren, die für die DDR-Fahrzeuge typisch waren. Osterode, einst abseits im sogenannten Zonenrandgebiet gelegen, war wieder in die Mitte Deutschlands gerückt. Jeder, der diese aufregenden und intensiven Wochen miterlebt hat, kann viele kleine Geschichten und Erlebnisse erzählen, die damals den Osteroder Alltag prägten. Es waren großartige, euphorische und glückliche Tage.
Foto: Stadtarchiv Osterode