Seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist klar: Der Rettungsdienst in Sachsen-Anhalt hat erhebliche Probleme bei der Vernetzung. Er drängt das Land, bei der Digitalisierung Gas zu geben. Doch das Innenministerium sieht die Kommunen in der Verantwortung. Jetzt ist ein heftiger Streit über die Zuständigkeit entbrannt.
Vertreter aus dem Rettungswesen hatten im Untersuchungsausschuss zum Anschlag im Landtag zuletzt eine fehlende digitale Vernetzung beklagt. Teilweise hätten Klinikmitarbeiter versucht, über die Notrufnummer die Leitstelle in Magdeburg zu erreichen, um etwa Bettenkapazitäten zu melden. Das sagte der Leiter des Amtes für Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz der Landeshauptstadt Magdeburg, Frank Mehr der Deutschen Presseagentur. Es hätte erheblich geholfen, wenn der Rettungsdienst digital vernetzt gewesen wäre.
Bei einem Anschlag sind Bettenkapazitäten der Krankenhäuser oft nicht bekannt
Obwohl nach dem Anschlag nicht für jedes Krankenhaus digital eingesehen werden konnte, ob dort noch Notfälle behandelt werden können, weist das Innenministerium von Sachsen-Anhalt die Verantwortlichkeit der Landeshauptstadt Magdeburg zu.
Vordergründig geht es um den sogenannten interdisziplinären Versorgungsnachweis (IVENA). Die Krankenhäuser informieren damit die jeweiligen Rettungsdienstleitstellen laufend über ihre verfügbaren Behandlungskapazitäten. Die Leitstelle gibt diese Informationen aus der digitalen Plattform an den Rettungswagen weiter. Das funktioniert häufig aber nur auf lokaler Ebene. Bei einem Anschlag mit so vielen Verletzten wäre es wichtig, auch die Bettenkapazitäten im Umland zu kennen. Hier fehlt aber die Vernetzung.
Obwohl es ein IVENA-Modul gibt, das diese Gesamtübersicht liefern kann – es nennt sich Massenanfall von Verletzten (MANV) – kommt dieses in Sachsen-Anhalt bisher nicht flächendeckend zum Einsatz. Das Innenministerium ist der Ansicht, dass die Landkreise und kreisfreien Städte grundsätzlich Träger des Rettungsdiensts seien. Wer MANV nutzen wolle, müsse selbst aktiv werden und dafür sorgen, dass Mitarbeiter der Leitstelle und von Kliniken geschult werden, so das Ministerium gegenüber der dpa.
Rettungskräfte in Sachsen-Anhalt oft zu spät am Einsatzort
In Sachsen-Anhalt sind Rettungsfahrzeuge regelmäßig nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwölf Minuten vor Ort. Im vergangenen Jahr schafften die Rettungskräfte in keinem einzigen Landkreis eine angestrebte Zielerfüllung von 95 Prozent, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Rüdiger Erben (SPD) hervorgeht.
Die Anfrage zeigte ein klares Bild: Die Stadt Dessau-Roßlau (91,6 Prozent) und der Landkreis Anhalt-Bitterfeld (89,5) am besten ab schnitten, der Landkreis Jerichower Land (63,9) und die Landeshauptstadt Magdeburg (68,3) am schlechtesten.
Dabei ist die Maßgabe eindeutig: Bei der einsatzplanung sind die Standorte der Rettungswachen laut Innenministerium durch die Träger des Rettungsdienstes so zu bestimmen, dass unter gewöhnlichen Bedingungen die Hilfsfrist in 95 Prozent aller Fälle eingehalten werden kann.