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Mythen, Mär­chen und Sagen aus dem Harz: Der Kro­do­quell von Bad Harz­burg

Selbst die Ältes­ten sag­ten: Den Kro­do­quell gab es schon immer. Doch das ist so nicht ganz rich­tig, denn Kro­do gab und Kro­do nahm, ganz wie es ihm gefiel – bes­ser gesagt, wie es die Men­schen ver­dien­ten! Vie­le hun­dert Jah­re hin­durch brach­te die Salz­quel­le auf dem Burg­berg den Men­schen Gene­sung. Blin­de wur­den sehend, Lah­me konn­ten wie­der gehen, wer von dem Was­ser trank oder sei­ne Glie­der damit ein­rieb, ward bald gesund. Des­halb lagen an der Quel­le, über der man ein gro­ßes, stei­ner­nes Mari­en­bild­nis anbrach­te, unzäh­li­ge Krü­cken. Nach eini­ger Zeit aber woll­ten die Gra­fen der Harz­burg die sie­chen Leu­te nicht mehr in ihrer Nähe dul­den, wes­halb man den Zugang zur Quel­le absperr­te, bewa­chen ließ und die Stö­cker auf einen gro­ßen Hau­fen warf, um sie zu ver­bren­nen. Wie die Krü­cken aber Feu­er fin­gen, qualm­te es so ent­setz­lich, dass bald der gan­ze Burg­berg in dickem Schwe­fel­ne­bel stand.

Mit Schre­cken stell­te die Obrig­keit am neu­en Mor­gen fest, als sich der Rauch ver­zo­gen hat­te, dass mit dem Nebel auch das Mari­en­bild­nis ver­schwun­den und der hei­li­ge Salz­quell ver­siegt war. Erst unter der Regent­schaft von Her­zog Juli­us, der sich selbst als Vater sei­nes Vol­kes ver­stand und sich selbst für die Gerings­ten auf­zu­op­fern pfleg­te, begann die Kro­do­quel­le wie­der zu spru­deln. Der Her­zog hat­te sich näm­lich nach einem lan­gen Spa­zier­gang am Burg­berg ein­fach an den son­nen­ge­flu­te­ten Süd­hang unter eine gro­ße Lin­de gelegt, schloss sei­ne Augen um aus­zu­ru­hen, als sein Herz ihn zur Vor­sicht mahn­te. Er fühl­te, dass man ihn beob­ach­te­te, öff­ne­te wie­der die Augen, rich­te­te sich auf, blick­te sich um, … und hat­te unwill­kür­lich das Atmen ver­ges­sen, als er mit ange­neh­men Schau­er in das schöns­te Augen­paar blick­te, dass er je zuvor gese­hen. „Ich bin die Salz­fee!“, sag­te jenes sphä­risch anmu­ti­ge Wesen, zu dem die Augen gehör­ten, „Dein Herz, lie­ber Juli­us, schlägt für alle Wesen, dar­um sol­len sie auch, wie es war alter Brauch, vom Was­ser gene­sen.

Grab an die­ser Stel­le, dann spru­delt die Quel­le, für alle zum Genuss!“ – Her­zog Juli­us mein­te schon, unter einem Son­nen­stich zu lei­den, wes­halb er sich Wesen ein­bil­de­te, die ihn mit guten Rat­schlä­gen unter­hiel­ten. Erst als er am nächs­ten Tage an besag­ter Stel­le unter faden­schei­ni­ger Begrün­dung nach­gra­ben ließ, trau­te er wie­der sei­nen Sin­nen, plät­scher­te doch dort tat­säch­lich ein klei­ner Salz­quell zu Tal. Im Jah­re 1575 schuf Her­zog Juli­us das Salz­werk Juli­us­hall und ver­füg­te, dass die Armen stets aus jener Quel­le zu trin­ken bekom­men soll­ten und fer­ner, dass ihnen am Bar­tho­lo­mäi­tag – einem wich­ti­gen Los­tag unse­rer Ahnen, wel­cher den Bau­ern und Schä­fern als Ende der Getrei­de­ern­te und Beginn der Aus­saat für das neue Jahr galt – ein Spen­den­brot zuste­he, wel­ches die Rei­chen bezah­len müss­ten. Als die Wohl­ha­ben­den Harz­burgs ein­mal ver­ga­ßen, das Spen­den­brot aus­zu­tei­len, blieb auch die Sole in Juli­us­hall aus. Wie man am Sonn­tag dar­auf alle Glo­cken läu­te­te, die Ärms­ten in die vor­ders­ten Rei­hen der Kir­chen ein­lud und ihnen üppig auf­ta­fel­te, da begann auch die Kro­do­quel­le wie­der zu flie­ßen. Als man die Salz­prei­se ein­mal aus Geld­gier erhöh­te, ver­sieg­te die Quel­le von dem einen auf den ande­ren Tag, dul­det es die Salz­fee eben nicht, wenn man auf Kos­ten der Ärms­ten ein gott­ge­ge­be­nes Gut aus­beu­tet.

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