Braunschweig (red). Das Braunschweiger Landgericht hat im Missbrauchsprozess von Goslar (wir berichteten) das Verfahren gegen die Eltern eingestellt. Sie mussten sich im vergangenen Jahr wegen schweren Missbrauchs, Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung an ihrer Stieftochter verantworten. Es war bereits das zweite Verfahren. In erster Instanz waren sie zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Dieses Urteil war aufgrund von Verfahrensfehlern vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden.
Das zweite Verfahren dauerte lediglich acht Verhandlungstage. Im ersten Prozess schien es so, als hätten sich die Eltern tatsächlich an ihrer Tochter vergangen. Staatsanwaltschaft, Gericht und die Anwältin des Opfers hatten auch die Tötungsabsicht der Eltern gegen ihre Tochter zunächst als erwiesen angesehen. Lediglich die Ermittler der Kripo Goslar waren nicht überzeugt. Sie zweifelten an den Aussagen der jungen Frau, die sich minutiös und ungewöhnlich genau an alle Einzelheiten einschließlich des jeweiligen Datums der Taten erinnern konnte. Selbst Versuche der Polizei, die Tochter in Widersprüche zu verwickeln, hatten keinen Erfolg.
Tochter hat wohl Münchhausen-Syndrom – Eltern steht Entschädigung zu
Weil das Gericht von der Schuld der angeklagten Eltern überzeugt war, war der Kripo Goslar der Fall entzogen worden, mit dem Argument, man habe in der Sache zu einseitig ermittelt. Der Chef-Ermittler der Kripo sagte auch in diesem Verfahren als Zeuge aus und wurde vom Gericht rehabilitiert. Der Wendepunkt im Prozess kam mit Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Tochter aus. Die 28-Jährige soll psychisch krank sein.
Auch der psychologische Gutachter, der im ersten Prozess die Aussagen des mutmaßlichen Opfers noch als „absolut erlebnisbasiert“ eingestuft hatte, revidierte seine Aussagen. Die Klägerin leide nach seiner Ansicht am sogenannten „Münchhausen-Syndrom“, das sich durch zwanghaftes Lügen, Effekthascherei und der Sucht nach Aufmerksamkeit auszeichnet.
Ende Juli 2022 war das angeklagte Elternpaar in Untersuchungshaft gekommen. Nachdem sie auf Antrag ihrer Anwälte auf freien Fuß gelassen worden waren, steht ihnen jetzt für jeden Tag im Gefägnis eine Entschädigung von 75 Euro pro Tag zu.