In Mahndorf gab’s so eine alte, gehässige, vom Leben verbitterte Hexe, mahnt eine Sage, die sich auf dem Gutshof verdingte. Sie war ein furchtbares Weib, der gute Herr aber hatte Mitleid mit ihr, nahm einst die Heimatlose auf, sie aber dankte es ihm, indem sie schimmligen Käse unters Essen rührte, sicher um ihn langsam aber stetig zu vergiften. Böse Flüche murmelnd rührte sie die Suppe, giftgelb spritzte es auf und bildete, an der Decke hängen bleibend, dunkle Flecken. Einem Saustall gleichend, war die dunkle Küche, in der sie ihren Schadenszauber trieb, von schwefligen Dämpfen erfüllt, die wie Schatten durchs Gemäuer krochen.
Drei Knechte aber haben die Giftmischerin bei ihrem wüsten Treiben ertappt, sie zur Rechenschaft ziehen wollen, als die Furie bös blickend auf sie zu jagte. „Nur gemeinsam und mit letzter Kraft, Herr, konnten wir uns gegen sie erwehren, sie von hinten packen und in die Enge treiben. In ihrer Pein schrie sie aber auf und prompt, sauste ihr Buhle, der Deibel heran, und schleppte ihren Leib durch die Lüfte hinfort!“ – Seit dem Geschehen aber, spukte es im Gutshof, Türen und Fenster schlugen auf und zu, obschon es windstill war; es knarrten die alten Dielen, als ob jemand unruhigen Schrittes nach dem Rechten sah und die drei Männer, die hatten seitdem keinen guten Tag und keinen Nachtschlaf mehr …!
So erzählte man die Mär der nächtlich umhergeisternden Mahndorfer Käsefrau viele Jahrhunderte lang, bis in unserer Zeit ein junges Mädchen zur Nachtstunde über den Gutshof schlich. „Was mach‘ ich hier draußen?“, fragte sie sich selbst, doch ließ es ihr keine Ruhe, irgendetwas schien sie zu rufen, fortwährend und immer drängender, so dass sie schon drei Nächte lang keinen Schlaf gefunden hatte. Plötzlich, nah vor sich, sah sie ein Glimmen im Boden, ein Flämmchen von goldenem Schein, das ward größer und größer und ganz zu einer schönen Frauengestalt. Anmutig stand der Geist vor dem eingeschüchterten Mädchen. „Keine Angst mein Kind – ich werde dir kein Leids antun – ich will nur endlich ewig ruh’n – ich bin’s, die man die Käs‘frau nennt, in der noch Zorn von früher brennt!“ — „Doch warum, gnädiger Geist, rufst du nach mir? Was bin ich im Stande dir Gutes zu tun?“, fragte die Lebende und die Tote, sie gab ihre Tränen als Antwort. Dort wo die Tränen den Boden netzten, brachen die alten Steine auf und heraus quellten kleine Keime, die zu wundervollen Blumen erwuchsen. „Bind‘ mir aus den Blumen einen kleinen Kranz und lege ihn dort hinten nieder, wecke den Boden durch Kuss und durch Tanz und sing mir die alten Liebeslieder und eines noch, dann bin ich befreit, erzähle vom wahren mir angetanen Leid:
Denn einst, im langen Krieg um den rechten Glauben, war ich ein Kind der Grafen zu Stolberg-Wernigerode. Doch ich entschied mich wider meinem Stand für meine Liebe und erlebte in Mahndorf als einfach Magd mit einfachem Mann drei wunderbare Jahre. Einzig ein Blick trieb mir Kummer ins Herz, das war der ferne Anblick des väterlichen Wernigeröder Schlosses. Nach der Mutter und den Geschwistern sehnte ich mich, doch Vater hatte mich verstoßen, für alle Zeit aus dem Stammbaum radiert, was ich leicht ertrug, hätte mir das Schicksal nicht schwerer zu tragen gegeben. Mein Geliebter
verschied und ich blieb allein, als junges Ding, allein in den Diensten und im Schutz meines Herrn. Der schätzte meine Klugkeit, meine Künste in der Küche, hatte ich doch gelernt mit den Pflanzen zu sprechen. Sie waren mir in den einsamen Nächten die liebste Gesellschaft. Sie lehrten mich herzhaft zu kochen, mundig zu backen, heilsam zu wirken, so dass mir das Dienen, obschon Herrschen mein Geburtsrecht war, Freude war. – Einmal aber war der Herr vom Gutshof geritten und würde erst in drei Tagen wiederkommen, da kamen drei der Knechte in meine Küche. Sie lallten und lachten, übel nach Weinbrand stinkend, nannten mich eine Hexe und drängten mich in die Ecke. Dort stand ein Waschfass mit Wasser. >Hinein mit dem Weib, hinein ihren Kopf, dass sie uns nicht mit bösem Blick verfluche!<, riefen sie wild durcheinander. Einer hielt mich an den Armen, einer tauchte den Kopf immer wieder und wieder hinein und der Dritte, der Ditte …!“ und dabei schluchzte sie so herzzerreißend, dass auch dem Mädchen die Tränen kamen. „Der Dritte zog mir das Kleidchen hoch, zerriss mir das Höschen und nahm mich von hinten, stieß in mich hinein, immer und immer wieder und johlte dabei, dass er meinen Schmerz übertönte.
Und dann sprang der Zweite auf mich drauf und den Ersten, den spürte ich nicht mehr, weil mein Leib erschlafft überm Waschtrog hing. … Ich spürte gar nichts mehr, schwebte als schwach schimmerndes Licht über meinem leblosen Körper, sah wie die Kerle sich schwitzend in mir entleerten, wie sie ein Loch in der Küche gruben, wie sie meinen Körper verscharrten und auseinandergingen, als wäre nichts Geschehen! … Seitdem spukt meine Seele unruhig durchs Gemäuer und will doch bloß zergehen in dem Licht, des reinigenden gottgeweihten Feuers, verschmelzen mit dem, der zu mir spricht! So bitt‘ ich dich, bind‘ mir den Blumenkranz und lege ihn an dieser Stelle nieder, schick meine Seele auf im Freudentanz und sing mit mir die alten Liebeslieder und eines noch, dann bin ich auch befreit: Erzähl‘ von mir und von der alten Zeit! …“ Heute erinnert lediglich eine kleine, steinerne Skulptur an die Käsefrau von Mahndorf, die einst den Namen Elisabeth trug! Der Steinmetz Karl hatte es auf Bitten seiner Frau Katharina, die mit Elisabeth befreundet war und sich ihr seelennah fühlte — manche sagen zur bitteren Mahnung, wir wissen: zur liebevollen Erinnerung — angefertigt. In deren Tochter, die sie Ellie nannten, und in unserer Sage, lebt die Käsefrau Elisabeth ewiglich!