Was ist das für ein seltsames Phänomen, dass es noch heute, über 1000 Jahre nach dem Einzug des Christentums/ der Christianisierung in ganz Deutschland 300–1000jährige WODANS-Eichen gibt? Der Gottvater WODAN (auch Wotan) bzw. ODIN, meint man, wäre längst verteufelt, der Lächerlichkeit preisgegeben oder vergessen und dennoch findet man solcherlei dicke Eichen, die nach ihm benannt sind, überall (so z.B. bei Ahlden, nahe Kassel und eben auch über Bad Harzburg im Harz). Von der Wodanseiche, am Wegekreuz Philosophenweg und Molkenhaus stehend, verrät keinem ihr wirkliches Alter. Auch das Schätzen fällt schwer, weil an dieser Stelle die Bäume langsam wachsen – es gäbe nur sehr tiefes Grundwasser, „weshalb der Baum sich anstrengen muss und, was dazu führe, dass man sich schonmal um ein paar Jahrhunderte vertut“, so der ehemalige Revierförster, der unter der Baumkrone nicht selten sonderbare Dinge wahrnahm.
„Die Tiere verhalten sich seltsam unter dem Baum, ganz so als würden sie etwas Besonderes hören oder Jemandem lauschen. Ich konnte schön öfter ganz nah heran, ohne dass das Tier mich wahrnahm oder in mir eine Gefahr erkannte. Einmal saß ein kleiner Luchs mit gespitzten Pinselohren da, guckte aber nur in die Baumkrone, nicht nach mir. Erst als ich auf drei Meter ran war, tat der kleine etwas genervt; nicht ängstlich, nur gestört. Als ich dann an der gleichen Stelle innehielt und lauschte, hörte ich es auch, hörte es und war fasziniert. Ich blickte zur Baumkrone hinauf und verlor mich in dem Spiel der Sonne zwischen den Blättern.“ – Ein Wanderwart vom Harzklub in Bad Harzburg beschrieb es so: „So wie es oben rauschte, wenn der Wind durchs Blätterdach ging, so rauschte es in mir, doch war’s kein Rascheln, eher ein Raunen, ein Wohlklang … du denkst sicher, ich spinne, wenn ich’s so ausdrücke: Es war eine Symphonie, ein Sphärengesang.
Ich saß da am Baum und konnte nicht sagen, wie lange schon, war’s eine Minute, war’s ein Leben?“ Beide beschrieben dasselbe, als sie gingen, als sie beinahe mit Wehmut die Eiche verließen: sie waren voller Zuversicht und guter Ideen, fühlten sich inspiriert und voll jugendlichem Elan, fast verjüngt. Was sie beschrieben, wird den Eichen seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren angedichtet: Wenn der Wind durchs Blattwerk geht, raunen die die Götter im Rauschen der Blätter ihr Weisheiten zu. Darum waren Eichen Gerichtsbäume und dem Wodan geweiht – man versprach sich die Weisheit Wodans, bevor man über einen Menschen ein Urteil sprach! – Ob der Baum noch steht, wer weiß?