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Mär­chen, Mythen und Sagen aus dem Harz: Der Raub­gra­fen­kas­ten zu Qued­lin­burg

Weit ins graue Alter­tum hin­ein ver­liert sich der Ursprung der Stadt Qued­lin­burg; denn schon zur Zeit der alten Sach­sen stand an der glei­chen Stel­le ein Dorf, Quit­lin­gen genannt, und die Sach­sen­her­zö­ge pfleg­ten hier mit Vor­lie­be des edlen Weid­werks. Noch bevor Hein­rich I., der Fin­k­ler, zum deut­schen König gewählt wor­den, war schon Qued­lin­burg sein liebs­ter Auf­ent­halts­ort, dem er auch als König die Treue bewahr­te. Hier soll ihm der Sage nach die Kro­ne über­bracht wor­den sein, als er auf dem Fin­ken­herd mit Vogel­fang beschäf­tigt war.

Manch selt­sa­me Kurio­si­tät aus tau­send­jäh­ri­ger Geschich­te hat sich in Qued­lin­burg bewahrt: so zum Bei­spiel ein gedörr­tes Men­schen­haupt und zwei rech­te Hän­de, denen der Dau­men fehlt. Es sol­len Über­res­te von Leich­na­men der gegen den Sohn Hein­richs, Kai­ser Otto I. Ver­schwo­re­nen sein, wel­che im Jah­re 924 hin­ge­rich­tet wur­den. Wei­ter fin­den wir dort höchst inter­es­san­te alte Waf­fen, dar­un­ter eine Kano­ne von beson­de­rer Kon­struk­ti­on, Fol­ter­werk­zeu­ge, Urnen aus den alten Begräb­nis­plät­zen der Sach­sen, einen Kodex des Sach­sen­spie­gels sowie einen gewal­ti­gen, soli­de gezim­mer­ten Holz­kas­ten. Nur eine klei­ne Tür führt in sein Inne­res, durch die sich ein Mensch nur mit gro­ßer Not zwän­gen kann. Von die­sem Kas­ten weiß die Sage eine beson­de­re Bewandt­nis.

Im 14. Jahr­hun­dert war Graf Albert von Rein­stein der Schutz­vogt von Qued­lin­burg. Er ent­stamm­te einem alten Gra­fen­ge­schlecht und war es gewohnt, sei­nen Wil­len durch­zu­set­zen. Auf das Qued­lin­bur­ger Krä­mer­pack blick­te er höh­nisch her­ab. Das miss­fiel den stol­zen Qued­lin­bur­gern, die sich durch immer neue Steu­ern des »Raub­gra­fen« gede­mü­tigt fühl­ten. So kam es zu offe­ner Feh­de. In der bezog auch der Bischof von Hal­ber­stadt Par­tei für die Qued­lin­bur­ger.

Dar­über erbit­tert, besetz­ten die Gra­fen von Rein­stein die Höhen um Qued­lin­burg sowie das Klos­ter Wiper­ti und die War­te auf der Alten­burg, nah­men Bür­ger gefan­gen, stör­ten den Han­del der Stadt und scha­de­ten der­sel­ben, wo sie nur konn­ten. Die Bür­ger ihrer­seits mach­ten Aus­fäl­le gegen die Rein­stei­ner, wel­che meis­tens sieg­reich waren. Nun ver­ban­den sich aber die Rein­stei­ner mit den Gra­fen von Anhalt, Mans­feld und Hohen­stein und bedräng­ten die Stadt nur umso mehr.

Da beschlos­sen die Bür­ger, ein Letz­tes zu wagen, um sich von die­sen Drangsa­len zu befrei­en. Unter­stützt von den Man­nen des Bischofs bra­chen sie an einem Som­mer­tag des Jah­res 1336 aus der Alt­stadt her­vor und schlu­gen die Rein­stei­ner nach einem ver­zwei­fel­ten Kamp­fe. Graf Albert von Rein­stein, der die Bür­ger beson­ders hart bedräng­te, indem er die Neu­stadt besetzt hat­te, wur­de aus die­ser ver­jagt. Er wand­te sich zur Flucht und ver­such­te nach dem Klos­ter Wiper­ti zu ent­kom­men. Am Hackel­teich aber strau­chel­te sein Ross und er wur­de gefan­gen genom­men und im Tri­umph­zug zum Markt­platz geschafft. Dort sperr­te man ihn in den vor­sorg­lich extra ange­fer­tig­ten Holz­kä­fig. Über ein Jahr hielt man ihn dort gefan­gen. Die Han­se­städ­te ver­lang­ten sei­ne Hin­rich­tung und ver­ur­teil­ten ihn als einen Stö­rer des Land­frie­dens; der Kai­ser bestä­tig­te die­ses Urteil.

Den­noch kam es – wohl in letz­ter Minu­te – nicht zur Aus­füh­rung. Denn Graf Albert erlang­te unter der Bedin­gung sei­ne Begna­di­gung, dass er der Schutz­ge­rech­tig­keit ent­sa­gen, die Stadt­mau­ern aus­bes­sern und sie­ben Tür­me in der­sel­ben erbau­en las­sen wol­le. Das hier­über aus­ge­stell­te Doku­ment ent­hält die Schluss­wor­te: »Gege­ben to Qued­lin­burg vor der Stadt.« Nach die­sem Wort­laut scheint es, als wäre der Graf schon auf den Richt­platz vor die Stadt geführt wor­den, ehe er sich ent­schlos­sen hät­te, auf die­se Bedin­gun­gen ein­zu­ge­hen.

Der Kas­ten aber, wor­in Raub­graf Albert gefan­gen saß, sei­ne Streit­axt, Arm­brust, Spo­ren und Feld­fla­sche wer­den noch heu­te auf dem Rat­haus zu Qued­lin­burg auf­be­wahrt.

 

Foto: pix­a­bay

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