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Krawall und Remmidemmi in Harzer Arztpraxen: „Wie an der Supermarktkasse“

Auch in Wartezimmern im Harz steigt der Aggressionsdruck: Der Ton wird rauer.

Osterode (red). Es ist eine beunruhigende Entwicklung: Immer öfter berichtet das Praxispersonal, dass Patienten im Warte- und Sprechzimmer die Nerven verlieren. Von Ellenbogenkultur, Handgreiflichkeiten und steigender Anspruchshaltung der Patienten ist die Rede. Ein Trend, der inakzeptabel ist. Bundesweit häufen sich die Berichte über steigende Aggressionen und Bedrohungen im Praxisalltag von Ärzten. Auch vor dem Harz scheint diese Entwicklung nicht Halt zu machen. Wie groß ist das Risiko, in der Region zum Arzt zu gehen?

Harzer Medienkreise berichten, dass der Mediziner Dr. Manfred Eilts, HNO-Arzt und Sprecher der Osteroder Ärzteschaft, das Phänomen kennt. Von körperlichen Übergriffen könne er zwar nicht berichten, dennoch würde sich der Umgangston verschärfen. Vor allem das Sprechstundenpersonal würde die Aggression der Patienten abbekommen. Er verglich das Verhalten mit dem an einer Supermarktkasse.

Bisher großenteils „nur“ verbale Gewalt – ist das erst der Anfang?

Auch wenn es bisher keine offiziellen Zahlen zu diesem neuen Phänomen gibt, häufen sich dennoch die Erfahrungsberichte über aggressives Verhalten, das von Patienten ausgeht. Obwohl körperliche Gewaltauseinandersetzungen bisher die Seltenheit sind, bekommen immer mehr Ärzte und Arzthelferinnen die Wut von Menschen zu spüren, die sich bei ihnen im Alltag aufstaut. Von fehlender Wertschätzung und einem zunehmend unfreundlichen Ton ist die Rede.

Indes hat sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, gegenüber dem NDR geäußert: Wie er berichtet, seien aggressives Verhalten, verbale Bedrohungen und körperliche Angriffe wachsende Probleme in Arztpraxen seien. Gassen stellt klar die Forderung nach einer Erhöhung der Strafen in solchen Fällen. Nicht nur in den Notaufnahmen, auch bei den Niedergelassenen würde die Situation immer öfter eskalieren, so der Kassenärzte-Chef. Patienten könnten sich immer öfter nicht benehmen und hätten eine schräge Einstellung zu eigenen Behandlungsdringlichkeit.

Praxistür von Patienten „kaputtgetreten“: zunehmende Ellenbogenkultur und Anspruchshaltung

Wie Gassen, der selbst als Arzt in Düsseldorf praktiziert, der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte, habe er selbst schon einen Patienten gehabt, der in der Praxis in einem Wutausbruch eine Tür kaputtgetreten habe.  Immer öfter käme es vor, dass ein kranker Patient mit bis zu sechs Familienmitgliedern in die Praxis komme und eine Vorzugsbehandlung verlange. Das gesamtgesellschaftliche Klima hat sich in den letzten Jahren stark verändert.

Existentielle Unsicherheit, Angst vor Jobverlust, Schulden und wachsende Armut steigern das Aggressionspotenzial vieler Menschen. Das wirkt sich auch auf Arztpraxen aus. Es wird von Patienten berichtet, die eine ausgesprochene Anspruchshaltung gegenüber dem Personal zeigen und den Arzt als Dienstleister sehen. Am Empfang wird vielfach nicht mehr gegrüßt.

Ein solches Verhalten sei freilich nicht die Regel, so Gassen. Dennoch hätten es die Ärzte mit einer zwar kleinen, aber größer werden Klientel zu tun.

 

 

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