Das Industriegebiet „Goldene Aue“ im Landkreis Nordhausen rückt zunehmend in den Fokus der Rüstungsindustrie. Mehrere Unternehmen aus dem Verteidigungs- und Sicherheitssektor sollen laut Medienberichten und Insiderkreisen konkretes Interesse an Ansiedlungen oder Kooperationsprojekten in der thüringischen Region bekundet haben. Die Gespräche mit lokalen Behörden und Landesvertretern befinden sich demnach in einem frühen, aber fortgeschrittenen Stadium.
Standortvorteile im Fokus der Industrie
Das Industriegebiet „Goldene Aue“ bietet mit seiner verkehrsgünstigen Lage zwischen der A38 und der Bahnstrecke Halle–Kassel sowie der Nähe zu bestehenden Industrie- und Forschungsstrukturen ideale Voraussetzungen für größere Investitionsprojekte. Auch die Nähe zu Fachhochschulen, insbesondere in Nordhausen und Ilmenau, spielt für technologieorientierte Rüstungsunternehmen eine wichtige Rolle.
Ein Sprecher des Thüringer Wirtschaftsministeriums bestätigte auf Anfrage, dass es “Anfragen aus dem Bereich sicherheitsrelevanter Technologien” gebe, nannte jedoch keine konkreten Unternehmensnamen oder Projektgrößen. Ziel sei es, “jede Anfrage sorgfältig zu prüfen, insbesondere hinsichtlich Arbeitsplatzpotenzials, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz.”
Chancen für die Region – aber auch kritische Stimmen
Für den strukturschwachen Norden Thüringens könnten solche Ansiedlungen eine wirtschaftliche Belebung bedeuten. Lokale Wirtschaftsförderer erhoffen sich Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe sowie die Schaffung hunderter qualifizierter Arbeitsplätze – sowohl in der Produktion als auch in Forschung und Entwicklung.
Landrat Matthias Jendricke (SPD) äußerte sich vorsichtig optimistisch: “Die Goldene Aue ist ein strategisch klug gelegener Standort mit Potenzial. Wenn Investitionen kommen, müssen sie zur Region passen – wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich.”
Gleichzeitig regt sich jedoch auch Kritik. Friedensinitiativen, Umweltgruppen und Teile der Zivilgesellschaft sehen die mögliche Ansiedlung von Rüstungsunternehmen kritisch. Sie befürchten eine zunehmende Militarisierung der Wirtschaft und fordern mehr Transparenz in den Entscheidungsprozessen.
Die Initiative „Zivil statt militärisch“ aus Nordhausen kündigte für die kommenden Wochen eine Informationskampagne und öffentliche Diskussionsveranstaltungen an. In einer Mitteilung heißt es: “Wir wollen nicht, dass die Region zum Produktionsstandort für Waffentechnik wird – egal ob direkt oder über Zulieferstrukturen.”
Politik will die Entscheidung sorgfältig abwägen
Die Landesregierung in Erfurt steht nun vor einer heiklen Abwägung: Einerseits könnten Investitionen der Rüstungsindustrie helfen, strukturschwache Räume wirtschaftlich zu stärken – andererseits ist die gesellschaftliche Debatte über Ethik und Verantwortung der Rüstungsproduktion hochsensibel, gerade in Ostdeutschland.
Wirtschaftsministerin Ute Hoffmann (Grüne) kündigte eine „sorgfältige und transparente Prüfung“ aller Vorhaben an. “Wir haben klare Kriterien für Industrieansiedlungen – dazu gehört auch eine gesellschaftliche Debatte über Art und Zweck der Produktion.”
Thüringen wird für Sicherheitspolitik immer wichtiger
Noch ist nichts entschieden, aber das zunehmende Interesse der Rüstungsindustrie an der „Goldenen Aue“ zeigt, dass Thüringen auch im Bereich sicherheitsrelevanter Technologien an Bedeutung gewinnt. Wie sich die Landespolitik und die Bevölkerung dazu positionieren, dürfte über die nächsten Monate hinaus Signalwirkung haben – für Thüringen und darüber hinaus.
Das Industriegebiet „Goldene Aue“ liegt südlich von Nordhausen und gilt als einer der wichtigsten Entwicklungsstandorte im Norden Thüringens. Die Region war historisch bereits Standort wehrtechnischer Produktion – etwa durch die berüchtigte Rüstungsfabrik Mittelwerk während des Zweiten Weltkriegs. Heute befindet sich dort u. a. das Besucherzentrum der Gedenkstätte Mittelbau-Dora.