Kein anderer kannte den Harz, wie die Kiepenfrauen, die Lebensmittel und andere wichtige Wahren von einem Ort zum anderen in einer schweren Kiepe auf dem Rücken durch die dunklen Täler und über die Berge trugen. Sie wussten geheime Wege und freilich auch alle Quellen, an denen man sich stärken konnte. Ihr Wissen gaben sie flüsternd an ihre Nachfolgerinnen weiter: „Spürst du einmal eine große Mattigkeit, die Tage anhält und auch Wochen, dann fehlt’s dir sicher an Eisen, dann stähle deinen Leib am Gesundbrunnen bei Dankerode“, einem sagenumwobenen Fleckchen Erde, dem so viele Menschen eine frische Gesundheit verdankten, dass der Dank zum Ortsnamen erwuchs.
Heute heißt es zwar, dass die eisenhaltige Quelle erst im Jahre 1926 von Obersteiger W. Bock entdeckt und 1931 für den Tourismus erschlossen wurde, was vielleicht stimmt. Möglicherweise aber lag die Quelle nur in Vergessenheit, oder war den Nicht-Eingeweihten unkundig!? Die Menschentrappe in der unmittelbaren Umgebung der heutigen „Stahlquelle“ und ihre altüberlieferte Nutzung – von der ich dir ein anderes Mal erzähle – lässt vermuten, dass sich die Kiepenfrauen hier seit jeher stärkten. War eine Krankheit im Anflug oder lag eine beschwerliche Harzüberquerung vor ihnen, heißt es, kam sie zum Gesundbrunnen und wuschen sich den Leib. Das Reinwaschen stählte nicht nur den Körper, sondern auch den Geist: Alle Sorge und allen Zweifel spülte man ab, denn wer an seinem Tun zweifelt, verzagt zu rasch schon beim Anblick eines hohen Berges den es zu erklimmen gilt.
Am Ende des Prozederes trank man wohl drei große Schlucke Heilwasser: einen, um innerlich auszuspülen was war; den Zweiten, um zu stärken und zu genießen was ist; den Letzten, um gestählt für die Zukunft zu sein. Rasch füllte man am Ende noch drei-vier Fläschchen ab, denn die Edeldamen nah und fern, warteten schon ungeduldig auf das Schönheitswasser. Nichts anderes ließ die Haare so gut wachsen und so wunderbar glänzen, wie das stark eisenhaltige Wasser der Stahlquelle. — Stehen also Heilung und Schönheit bei dir in Mode, so besuche die Quelle bei Dankerode! Spannend: Heute wissen wir, dass Eisen eine wesentliche Rolle für den Körper spielt, wenn es um die Produktion von Energie und den Erhalt der Lebenskraft geht. Die Fähigkeit unseres Körpers, Sauerstoff zu transportieren und zu nutzen hängt direkt von der Menge an verfügbarem Eisen ab. Im Mangelzustand kann der Körper nicht genug Hämoglobin produzieren, was dazu führt, dass der Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.
Ein Zuviel an Eisen ist aber ebenso fatal, weshalb der Wunderheiler Paracelsus immer wieder betonte: „Die Dosis macht das Gift!“ Ein Eisenüberschuss im Wasser lässt sich schnell durch einen unangenehmen Geruch und Geschmack feststellen. Das Wasser an der Stahlquelle ist sehr gut in Maßen (!)
trinkbar. Eine Eisenüberladung bemerkst man durch Magenbeschwerden, Verstopfung, Herzrasen und Hautverfärbungen (z.B. die Ritterhaut, eine bronzene Verfärbung). Langfristig macht es sich über Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen und Leberprobleme bemerkbar – einen Arzt zu konsultieren und die Eisenwerte zu testen, macht durchaus Sinn!
Nach Carsten Kiehne