Das geplante Atommüllendlager Schacht Konrad in Salzgitter südlich von Braunschweig steht erneut auf der Kippe. Im alten Erzbergwerk Konrad soll ab 2030 als erstem Endlager radioaktive Abfälle aufgenommen werden. Doch nun gibt es Zweifel. Nicht Wenige sprechen von einem „Milliardengrab“.
Behördliche Auflagen stehen der Atommülleinlagerung im Weg
Die Inbetriebnahme war für Anfang der 2030er Jahre anvisiert. Jetzt verzögert sie sich deutlich – und könnte sogar ganz scheitern. Das berichteten der Bayerische Rundfunk (BR) und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Mittwoch. Unter den derzeitigen behördlichen Auflagen könne dort kein Atommüll eingelagert werden. Die Sender beriefen sich auf vertrauliche Dokumente, die ihnen exklusiv vorliegen.
Schacht Konrad ist ein ehemaliges Eisenerzbergwerk. 2002 hatte das Land Niedersachsen die Genehmigung für eine Umrüstung der Grube zum nationalen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle erteilt. Diese Genehmigung gilt für bis zu 303.000 Kubikmeter Atommüll. Er stammt aus dem Betrieb und dem Abriss von Atomkraftwerken, zum kleineren Teil auch aus Forschung und Medizin. Die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat die Kosten für den Umbau mit rund 5,5 Milliarden Euro beziffert.
Gefahr für Grundwasser durch Atomabfall soll vermieden werden
Die absehbare Verzögerung liegt den Recherchen zufolge an der sogenannten „Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis“, die 2002 im Rahmen der Baugenehmigung erteilt wurde. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass von den Abfällen im Endlager keine Gefahr für das oberflächennahe Grundwasser ausgeht – das gilt auch für die mit den radioaktiven Stoffen verbundenen Metalle wie Platin, Quecksilber, Eisen oder Aluminium.
Demnach darf der gesamte Atommüll, der hier eingelagert werden soll, zum Beispiel nur 43 Kilogramm Quecksilber oder nur 11 Gramm Platin enthalten. Um diese Vorgabe einzuhalten, könnte aber nur ein Bruchteil des geplanten Abfallvolumens untergebracht werden. 2010 hätten sich die Verantwortlichen des Endlagers deshalb eine „eigene Berechnungsgrundlage“ geschaffen, so BR und NDR. Das ehemalige Eisenerzbergwerk ist bislang das einzige genehmigte und im Bau befindliche Endlager für Atommüll in Deutschland.
Kritiker: Endlager ist eine „völlig verfehltes Projekt“ – Baustopp gefordert
Unterdessen fordern Schacht-Konrad-Kritiker aus der Region angesichts der Recherchen erneut einen Baustopp für das Atommüll-Endlager. Der Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU), sieht sich angesichts der NDR- und BR-Recherchen bestätigt. “Es bringt nichts, an einem über 23 Jahre alten und somit heute völlig verfehlten Projekt um jeden Preis festzuhalten”, sagte Klingebiel. “Das kann weder richtig noch rechtskonform sein und ist den Menschen in unserer Region auch nicht vermittelbar“, so Klingebiel.
Das Bundesumweltministerium sieht indes trotz neuer Berichte über mögliche Verzögerungen keine Gefahr für das Projektstartziel in den frühen 2030er-Jahren. Das Ministerium verweist trotz der Recherchen auf laufende Vorbereitungen und sieht keinen Grund zur Sorge. Das niedersächsische Umweltministerium stellt klar, dass der bisherige Zeitplan weiterhin gelte. Gleichzeitig betont ein Sprecher, dass niemand aktuell mit Sicherheit sagen könne, ob der Zeitplan auch eingehalten werde. Unterm Strich gibt es die Erkenntnis: Die Unsicherheit bleibt – trotz politischer Gelassenheit.
Bereits vier Milliarden Euro in das Projekt investiert – Bau geht trotz Problemen weiter
Obwohl die Probleme bereits seit 20 Jahren bekannt sind, wird unter Tage weiter an dem Endlager gebaut. Das Projekt hat mittlerweile rund vier Milliarden Euro gekostet, zum Teil stammt das Geld aus Steuermitteln, trotz größter Widerstände. Zwischenzeitig geht der Rückbau der stillgelegten Kernkraftwerke unbeirrt weiter. Dadurch entsteht auch immer mehr Atommüll, der für “Konrad” vorgesehen ist.
Ein weiteres Problem: Die Zwischenlager drohen überzulaufen. Laut offiziellen Angaben reichen die derzeitigen Kapazitäten nicht aus, um sämtliche Container oberirdisch lagern zu können. Die atomare Entsorgung in Deutschland droht damit erneut zu einem völligen Stillstand zu kommen.
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung will sich trotzdem eine Hintertür offenhalten: Sollte “Konrad” wenigstens baulich rechtzeitig fertiggestellt werden, will man laut der Geschäftsführung unter den 303.000 Kubikmetern Atommüll nach “irgendwelchen Gebinden suchen”, die unbedenklich eingelagert werden können, ohne Auswirkungen auf das Grundwasser befürchten zu müssen. Allerdings wird auch das die eigentlichen Probleme nicht lösen.
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