Goslar (red). Seit Beginn des Jahres 2023 haben bereits mehr als 50 Menschen aus dem Landkreis Goslar Anzeige wegen Anlagebetrugs erstattet, die Dunkelziffer der Opfer dürfte allerdings höher sein. Ebenso der finanzielle Schaden, der allein bei den bislang bekannten Taten mehr als eine Million Euro beträgt.
Der Leiter des Fachkommissariats für Betrugsdelikte der Kripo Goslar, zeigt sich besorgt ob des enormen Anstieges dieses Kriminalitätsphänomens und beschreibt das perfide Vorgehen der Kriminellen:
„Der Ablauf ist nahezu immer identisch. Privatpersonen, die Gelder aus einer Erbschaft, einem Hausverkauf oder von ihrem Erspartem gewinnbringend anlegen wollen, werden auf vermeintlich neuartige Online-Investments im Zusammenhang mit Kryptowährungen wie beispielsweise Bitcoins aufmerksam. Zur Kundenakquise werden hierzu durch die international agierenden Betrüger in großem Stil Werbeanzeigen auf vertrauenswürdigen Webseiten wie beispielsweise Nachrichtenportalen und in sozialen Netzwerken, Facebook, Instagram, YouTube etc., geschaltet sowie Spam-Mails versandt. Um hierbei die notwendige Seriosität vorzutäuschen, wird bei diesen Werbeaktivitäten nicht selten ein vermeintlicher Bezug zu bekannten TV-Sendungen wie „Höhle der Löwen“ oder zu prominenten Personen, etwa TV-Moderatoren, hergestellt, der natürlich nicht existiert.“
Personen, die ein Interesse an den verheißungsvollen Online-Anlagemöglichkeiten mit hohen Renditeaussichten gewonnen haben, registrieren sich dann zunächst auf der beworbenen und professionell gestalteten Internetpräsenz. „Anschließend überweisen sie in gutem Glauben die geforderte Ersteinlage, die in aller Regel nicht mehr als 250,- Euro beträgt. Diese Summe ist von den Tätern bewusst so niedrig angesetzt worden, da sie für die meisten Interessenten keine Hemmschwelle darstellt und für eine breite Masse erschwinglich erscheint. Zudem suggeriert auch das hierfür in Deutschland angegebene Zielkonto eine gewisse Seriosität“, erläutert er.
Unmittelbar darauf erfolgt dann die telefonische Kontaktaufnahme von einem vermeintlichen Finanzberater. „In Wahrheit handelt es sich hierbei jedoch um einen im Ausland befindlichen betrügerisch agierenden Call-Center-Mitarbeiter, der von nun ab rhetorisch gewandt seinen neuen ‚Kunden‘ intensiv betreuen wird“, erklärt der Experte für Internetkriminaliät. Und weiter: „Nicht selten gelingt es diesem, in den darauffolgenden Tagen und Wochen durch eine Vielzahl von weiteren Anrufen und Messengernachrichten eine persönliche und emotionale Beziehung zu seinen Kunden aufzubauen und diese davon zu überzeugen, zur Erreichung noch höherer Gewinne immer weitere und immer größere Summen, die nunmehr auf ausländische Konten zu überweisen sind, zu investieren.“
Zur Glaubhaftmachung werden diese Beratungen oftmals durch das im Benutzerkonto einsehbare Onlinediagramm flankiert, das dem Kunden seine angeblich bereits erwirtschafteten Gewinne vorgaukelt. Tatsächlich sind sämtliche investierten Gelder jedoch längst in dunklen Kanälen der kriminellen Netzwerke verschwunden.
Der Betrug fällt den Geschädigten meist erst dann auf, wenn diese auf eine Auszahlung ihrer Gewinne bestehen und sie mit fadenscheinigen Ausreden immer wieder vertröstet werden. Hierbei versuchen die „Finanzberater“ ihre „Kunden“ noch durch angeblich vorauszuzahlende Gewinnsteuern oder Gebühren um weitere Summen zu betrügen. Erst wenn dies nicht mehr funktioniert, brechen die Kriminellen den Kontakt ab und löschen das vermeintliche Kundenkonto auf der betrügerischen Anlageplattform.
„Unsere kriminalpolizeilichen Erfahrungen zeigen, dass die investierten Gelder in der Regel komplett verloren sind, da die komplexen Strukturen der international agierenden Tätergruppen die Verschleierung sämtlicher Zahlungs- und Kommunikationswege fortlaufend perfektioniert haben“, so der Kripo-Ermittler. Selbst die Ersteinlage auf das deutsche Konto ist nicht retournierbar, da es sich hierbei grundsätzlich um Geldwäschekonten handelt, zu denen mehrheitlich keine real existierenden Kontoinhaber ermittelt werden können.
Derartige negative Erfahrungen haben in den vergangenen Jahren auch eine Reihe von geschädigten Personen aus dem Landkreis Goslar gemacht, wobei die Betrugszahlen fortlaufend ansteigen. Ein Trend, den der Chef des Fachbereiches für Betrugsdelikte mit großer Sorge betrachtet:
Während im Jahr 2023 noch 27 Betrugsanzeigen dieses als „Cybertrading-Fraud“ bezeichneten Phänomens mit einer Schadenshöhe von insgesamt über 500.000 Euro zur Anzeige gebracht wurden, lag in der ersten Jahreshälfte 2024 bei nahezu der gleichen Anzahl von Strafanzeigen der Gesamtschaden bereits bei fast 1,1 Millionen Euro. „Tragisch ist in einigen Fällen, dass sich die Geschädigten hierbei selbst um ihr gesamtes Vermögen gebracht haben und nun teilweise gezwungen sind, ihre Häuser zu verkaufen, um wieder zahlungsfähig zu werden oder auch aufgenommene Kredite, die sie ebenfalls für Einlagezahlungen genutzt haben, zurückzahlen zu können“, zeigt der Leiter des Fachkommissariats die erschreckenden Folgen auf.
Bei deutschland-, mithin europaweiter Begehungsweise offenbart allein das Hellfeld dieser Betrugsvariante schwindelerregende Gewinne für die Betrüger, die alle anderen Gewinne aus Vermögensstraftaten in den Schatten stellen. Hinzu kommt das Dunkelfeld, also die Sachverhalte, die von den Geschädigten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Anzeige gebracht werden.
Daher appelliert der Ermittler der Kripo:
Ungewöhnlich hohe Gewinne mit wenig Einsatz sollte Sie immer misstrauisch machen.
Seien Sie zudem argwöhnisch, wenn Sie Investitionen in Kryptowährungen vornehmen sollen.
Investieren Sie nur Gelder in Anlageformen, deren Systematik und Entwicklungen Sie selbst verstehen.
Informieren Sie sich vor einer Registrierung bei einer Online-Investmentplattform kostenlos bei der Unternehmensdatenbank der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), ob diese eine Erlaubnis für Finanzgeschäfte in Deutschland besitzt.
Kommunizieren Sie nur mit Investmentplattformen, deren Seriosität und Existenz sie zweifelsfrei überprüfen konnten, notfalls durch einen persönlichen Besuch.
Überweisen Sie keine Gelder auf ausländische Konten, die im Zusammenhang mit derartigen Investmentplattformen stehen.
Lassen Sie sich bei Zweifeln oder noch offenen Fragen durch einen örtlichen Finanzberater Ihres Geldinstituts persönlich beraten.