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Blan­ken­burg: Unter­ir­di­sche Apo­the­ke soll Bun­des­wehr im Kriegs­fall Medi­ka­men­te lie­fern

Die unter­ir­di­sche Apo­the­ke bei Blan­ken­burg im Harz ist kein gewöhn­li­ches Lager oder Depot. Sie ver­bin­det Geschich­te, Tech­nik, Sicher­heit und logis­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen auf ein­ma­li­ge Wei­se. Offi­zi­ell Teil des Ver­sor­gungs- und Instand­set­zungs­zen­trums Sani­täts­ma­te­ri­al der Bun­des­wehr, wird die­ser Kom­plex oft als die größ­te unter­ir­di­sche Apo­the­ke der Welt bezeich­net.

Die „größ­te unter­ir­di­sche Apo­the­ke der Welt“ ist weit mehr als ein Lage­r­ort für Medi­ka­men­te. Sie ist ein Ort, an dem Geschich­te, Tech­nik, mili­tä­ri­sche Stra­te­gie und gesund­heit­li­che Ver­sor­gungs­lo­gis­tik zusam­men­tref­fen. Ihre Exis­tenz zeigt, wie in Deutsch­land nach Kriegs­en­de und wäh­rend des Kal­ten Kriegs Sicher­heits- und Ver­sor­gungs­ar­chi­tek­tu­ren ent­stan­den sind, die bis heu­te funk­ti­ons­tüch­tig und rele­vant sind. Gleich­zei­tig wirft sie Fra­gen auf — über Ver­ant­wort­lich­keit, Trans­pa­renz und über die Rol­le mili­tä­ri­scher Ein­rich­tun­gen in einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft.

Natio­nal­so­zia­lis­ten plan­ten den Kom­plex für Bau von Kriegs­ge­rät

Die Anla­ge liegt im Fels­mas­siv „Regen­stein“, nörd­lich von Blan­ken­burg. Ursprüng­lich Teil der NS-Plä­ne gegen Ende des Zwei­ten Welt­kriegs: Der Kom­plex wur­de unter dem Tarn­na­men „Turm­a­lin“ geplant als unter­ir­di­sche Fer­ti­gungs­fa­brik beson­ders kriegs­wich­ti­ger Gerä­te, wie zum Bei­spiel Tei­le für U‑Boote und Rake­ten.

Der Bau erfolg­te unter Ein­satz von Zwangs­ar­bei­tern. Vie­le Gän­ge und Stol­len wur­den in den Sand­stein getrie­ben, um Schutz vor Luft­an­grif­fen und Bom­bar­de­ments zu bie­ten. Nach dem Krieg wech­sel­te die Nut­zung: erst als Lager für Lebens­mit­tel oder Cham­pi­gnons, dann in den 1970er Jah­ren durch die NVA (Natio­na­le Volks­ar­mee der DDR) als Mate­ri­al- und Muni­ti­ons­la­ger aus­ge­baut.

Nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 über­nahm die Bun­des­wehr die Anla­ge und bau­te sie zum heu­ti­gen Sani­täts­ma­te­ri­al­la­ger mit inte­grier­ter Phar­ma­be­reich („Bun­des­wehr-Apo­the­ke“) aus.

Apo­the­ke liegt in weit ver­zweig­tem Stol­len­sys­tem

Das Stol­len­sys­tem erstreckt sich über eine Län­ge von etwa acht Kilo­me­tern. Die Gesamt­flä­che unter Tage beträgt etwa 33.000 Qua­drat­me­ter; über Tage sind es noch mehr. Es wer­den etwa 3.000 ver­schie­de­ne Arz­nei­mit­tel und medi­zi­ni­sche Pro­duk­te gela­gert. Neben Medi­ka­men­ten lagert die Anla­ge auch gro­ße Men­gen sani­täts­dienst­li­chen Mate­ri­als wie Ver­bands­zeug, Defi­bril­la­to­ren, Beatmungs- und Rönt­gen­ge­rä­te.

Die Bun­des­wehr belie­fert von hier aus ihre Stand­or­te mit Sani­täts­ma­te­ri­al und Medi­ka­men­ten. Es han­delt sich also um ein stra­te­gi­sches Depot.

In beson­de­ren Situa­tio­nen, etwa bei Kata­stro­phen oder Kri­sen­ein­sät­zen, kann das Lager auch eine zen­tra­le Rol­le in der Ver­sor­gung über­neh­men. Es gibt ein eige­nes Labor, in dem spe­zi­el­le Medi­ka­men­te her­ge­stellt wer­den — nicht nur ein­fa­che Arz­nei­mit­tel, son­dern auch indi­vi­dua­li­sier­te und situa­tiv not­wen­di­ge Pro­duk­te.

 

Der Ein­gang wird durch ein Tor gesi­chert, das stark und mas­siv ist, hydrau­lisch betrie­ben. Das Gewicht und die Kon­struk­ti­on die­nen dem Pan­zer­schutz. Die Anla­ge liegt unter Tage und schützt so gegen äuße­re Ein­flüs­se wie Luft­an­grif­fe, Bom­ben, extre­me Wet­ter­la­gen oder auch Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen.

Inter­ne Kli­ma- und Luft­ver­sor­gung sind gere­gelt: kon­stan­te Tem­pe­ra­tur, gerin­ge Luft­feuch­tig­keit und Ver­sor­gung mit Frisch­luft sind gewähr­leis­tet.

Anla­ge ist stra­te­gisch und his­to­risch von gro­ßer Bedeu­tung

· Mili­tä­risch-stra­te­gisch: Mit sei­ner Lage, Aus­stat­tung und Grö­ße ist die unter­ir­di­sche Apo­the­ke ein ent­schei­den­des Sani­täts­de­pot für die Bun­des­wehr, ins­be­son­de­re für Aus­lands­ein­sät­ze oder Kata­stro­phen­fäl­le.

· His­to­risch: Sie ist ein Zeug­nis deut­scher Geschich­te — von natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rüs­tungs­plä­nen, der DDR-Zeit mit Geheim­hal­tung und Mili­tär­la­ge­rung bis in die heu­ti­ge demo­kra­ti­sche Bun­des­wehr. Damit reflek­tiert sie Wand­lun­gen deut­scher Poli­tik, Mili­tär­struk­tur und Sicher­heits­po­li­tik.

· Ökonomisch/regionale Bedeu­tung: Der Stand­ort schafft Arbeits­plät­ze, auch wenn vie­le Arbei­ter in Uni­form sind, und gene­riert infra­struk­tu­rel­le sowie logis­ti­sche Anfor­de­run­gen, die loka­le Wirt­schaft betref­fen. Besu­cher-Tage zei­gen, dass auch zivil­ge­sell­schaft­li­ches Inter­es­se groß ist.

Unter­ir­di­sche Bun­des­wehr-Apo­the­ke: Vie­le Her­aus­for­de­run­gen und Kon­tro­ver­sen

Der Bau zur NS-Zeit mit Zwangs­ar­beit wirft ethi­sche Fra­gen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten auf; vie­le Men­schen lit­ten oder star­ben beim Stol­len­bau.

Geheim­hal­tung und Mili­tär­sta­tus füh­ren zu Ver­schwö­rungs­theo­rien und Gerüch­ten. Eini­ge Ein­woh­ner berich­ten von Mythen rund um unter­ir­di­sche Stra­ßen, Her­stel­lung von Rake­ten­tei­len etc. Kos­ten für Betrieb, War­tung, Sicher­heit sind beträcht­lich. Her­stel­lung eige­ner Medi­ka­men­te, Lage­rung unter hohen Sicher­heits­ver­hält­nis­sen etc., all das erfor­dert Auf­wand und Res­sour­cen.

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