Vor langer Zeit habe der Raubritter auf der Ebersburg mit seinen Berittenen die Straßen und Täler der Umgegend unsicher gemacht und die armen Bauern der nahen Dörfer, vor allem die Vockeröder, in Angst und Schrecken versetzt. — Mit vereinten Kräften der benachbarten Städte aber, konnte man dem Elend ein Ende machen: Die Ebersburg ward gestürmt, in pechschwarzer Nacht in eine lodernde Fackel verwandelt und das in der Feste gefangene Raubgesindel flehte zu Gott um Erbarmen. Doch verflucht waren sie allesamt für ihre Taten, verflucht, Buße zu tun, von nun an den Armen Beistand und Gerechtigkeit zu verschaffen. Ganze dreimal müssten sie für das Gute ausreiten, damit die Seelen der Räuber nicht ewig im Fegefeuer schmoren. Es vergingen Jahrhunderte und man hatte die Geschichten fast vergessen, dass die verfluchten Reiter ihren Brandgräbern entsteigen und die Ungerechtigkeiten sühnen würden. Zuerst ward 1437 das Heer des Bischofs Buchardt, der Vockerode dem Erdboden gleichmachen wollte, von Geisterhand zerschlagen.
Zum zweiten Mal sollten sich die Geister im 30jährigen Kriege zeigen, als sich die Soldateska Vockerode näherte: Wütend schlug diese Horde einst um sich, nahm was sie begehrte, erschlug und erhängte, verstümmelte und ertränkte und alle Armen, die noch im Stande waren den Berg zu erklimmen, drängten zur Ruine der Ebersburg. „Lauft nur, lauft!”, schrie der Hauptmann der Soldateska und schickte seine Mannen nach, den Hügel zu erstürmen und die Entlaufenen zu spießen. Die Vockeröder die zuerst am Burgfried anlangten, flehten den Himmel weinend um Beistand an und was geschah? Ein Nebel machte sich breit und der unwirkliche Spuk begann: Die Erde brach entzwei und aus den alten Gewölben entstiegen alle Geister der Ebersburg. Grausige Gesellen waren das, mit vermoderten Leibern, … zerspellten Gliedern und angesenkten Fratzen — schauderhaft anzusehen, bestiegen sie die Pferde und der alte Räuberhauptmann schrie so entsetzlich, dass der Nebel aufwallte, sich wie eine Welle zur Sägemühle im Tale ergoss.
Mit dieser Woge stoben die Geister zu Tale und stürzten sich auf die Soldaten. Als die Soldateska sah, was auf sie zurollte, stockte deren Herz. Sofort machten sie auf der Hacke kehrt und rannten in heilloser Flucht davon. Wer aber vom Nebel verschluckt ward, sah man nie wieder. Einmal, sagt der Volksmund, müssten die Verfluchten nun noch ausreiten, um ihre alte Schuld zu tilgen und endlich die ewige Ruhe zu finden. Ich habe gehört, in der Silvesternacht im Jahre 2000, begab es sich, dass ein furchtbarer Lärm von den Ruinen der Ebersburg kam. Tausende Feuerwerkskörper stiegen in dieser Nacht gen Himmel, und als einige Mitglieder des Vereines „für lebendiges Mittelalter” zur Ruine kamen (die von ihnen betreut wird) um nach dem Rechten zu sehen, glaubten sie ihren Augen nicht zu trauen: Sie sahen unzählige Hufspuren schwerer Pferde, was an sich ja nichts Besonderes ist, wäre die Anlage nicht komplett abgesperrt und damit für Reiter unmöglich aufsuchbar gewesen. Das Erstaunlichste aber: Alle Hufspuren führten von der Mitte des Platzes nach draußen. Kein Pferd kam herein, doch hundert ritten hinaus!