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Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft: UNESCO-Welt­erbe lie­fert Ener­gie für die Regi­on seit 800 Jah­ren

Auf dem gan­zen Glo­bus gibt es berühm­te UNESCO-Welt­erbe­stät­ten: Die Pyra­mi­den von Gizeh, die Chi­ne­si­sche Mau­er oder auch der Köl­ner Dom — die­se Bau­denk­mä­ler kennt so ziem­lich jeder. Nicht so das Ober­har­zer Was­ser­re­gal, auch bekannt als Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft. Nur weni­ge Men­schen wuss­ten davon – bis 2010, als es die UNESCO ergän­zend zum Welt­erbe Alt­stadt Gos­lar und Erz­berg­werk Ram­mels­berg in die Lis­te der Welt­erbe­stät­ten auf­nahm.

Das Har­zer Was­ser­leit­sys­tem gilt mit sei­nen Kanä­len, Tei­chen und Grä­ben als eines der bedeu­tends­ten vor­in­dus­tri­el­len Ener­gie­ver­sor­gungs­sys­te­me auf der Welt. Es war für den Berg­bau jahr­hun­der­te­lang von größ­ter Wich­tig­keit. Dabei lie­fer­te die Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft bereits vor 800 Jah­ren Ener­gie für den Berg­bau. Im Lauf der Jahr­hun­der­te wur­de sie wei­ter aus­ge­baut — eine ein­zig­ar­ti­ge Anla­ge aus kilo­me­ter­lan­gen Grä­ben, Tei­chen und unter­ir­di­schen Was­ser­läu­fen ent­stand.

Die ältes­ten Tei­le der Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft wur­den von den Zis­ter­zi­en­sern des Klos­ters Wal­ken­ried errich­tet und stam­men aus dem 12. und 13. Jahr­hun­dert. Seit der frü­hen Neu­zeit bau­ten die Har­zer Berg­leu­te die Anla­gen sys­te­ma­tisch aus. Sie fin­gen Regen­was­ser auf und zapf­ten weit ent­fern­te Bäche an, um es in Stau­seen und Auf­fang­be­cken umzu­lei­ten. Von dort floss das Was­ser wei­ter durch ober- und unter­ir­di­sche Was­ser­läu­fe zu den Berg­wer­ken.

Rege­ne­ra­ti­ve Ener­gie­nut­zung seit dem 16. Jahr­hun­dert

Die Berg­leu­te im Harz nutz­ten bereits früh die Vor­tei­le der rege­ne­ra­ti­ven Ener­gie: Bereits im 16. Jahr­hun­dert setz­ten sie auf die Kraft des Was­sers, um damit Pum­pen und Fahr­an­la­gen anzu­trei­ben und so in zuvor uner­reich­te Tie­fen vor­zu­sto­ßen. Die inten­si­ve Nut­zung der Was­ser­kraft war der Erfolgs­ga­rant für den Berg­bau im Harz ab der frü­hen Neu­zeit. Das Recht zur Was­ser­nut­zung war die Grund­vor­aus­set­zung für die wei­te­re Ent­wick­lung — das ver­deut­licht bereits die Bezeich­nung Was­ser­re­gal: Ein Regal war ein vom Lan­des­herrn ver­lie­he­nes Recht (Regal = “Königs­recht”). Das Was­ser­re­gal war also das Pri­vi­leg zur Was­ser­nut­zung für Berg­bau­zwe­cke. Alle ande­ren Was­ser­nut­zer, wie bei­spiels­wei­se Müh­len­be­sit­zer, muss­ten sich der Vor­rang­stel­lung des Berg­baus unter­ord­nen.

Was­ser­wirt­schaft ist ein Meis­ter­werk der Inge­nieurs­kunst

Dort trieb es Was­ser­rä­der an, die wie­der­um Pum­pen zum Lau­fen brach­ten, mit denen die Berg­leu­te ihre Stol­len tro­cken leg­ten. Denn das aus dem umlie­gen­den Gestein ein­si­ckern­de Was­ser muss­te aus den Gru­ben wie­der her­aus beför­dert wer­den — die Berg­leu­te bekämpf­ten also damals Was­ser mit Was­ser. Spä­ter dien­te die Was­ser­kraft auch dazu, die soge­nann­ten Fahr­küns­te anzu­trei­ben, die dazu dien­ten, Berg­leu­te und Mate­ri­al in einer Art ein­fa­chen Auf­zug zu ihren bis zu 600 Meter tie­fer gele­ge­nen Ein­satz­or­ten zu beför­dern.

Zwi­schen 1536 und 1866 ent­stand so ein aus­ge­klü­gel­tes Sys­tem aus rund 500 Kilo­me­tern Grä­ben, 120 Stau­tei­chen, etwa 30 Kilo­me­tern unter­ir­di­scher Was­ser­läu­fe und 100 Kilo­me­tern Was­ser­lö­sungs­stol­len — eine inge­nieur­tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung. Sogar die Was­ser­schei­de zwi­schen Süd- und Nord­harz über­wand man, um die ertrag­rei­chen Claus­tha­ler Gru­ben mit Was­ser und damit mit Ener­gie zu ver­sor­gen. Die Stau­tei­che stell­ten sicher, dass auch in regen­ar­men Peri­oden genü­gend Was­ser für die Gru­ben bereit­stand. Bis ins spä­te 19. Jahr­hun­dert war die Was­ser­kraft die ein­zi­ge Ener­gie­quel­le für den Abbau von Kup­fer, Blei und Sil­ber.

Anla­gen der Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft ste­hen heu­te unter Denk­mal­schutz

Bis 1930 wur­den fast alle Har­zer Berg­wer­ke geschlos­sen, das Was­ser wur­de in den Berg­wer­ken nicht mehr gebraucht. Seit Ender der 1970er-Jah­re ste­hen alle Anla­gen des Ober­har­zer Was­ser­re­gals unter Denk­mal­schutz. Ein Teil der Grä­ben und Was­ser­läu­fe wird für kul­tur­his­to­ri­sche, tou­ris­ti­sche und Natur­schutz-Zwe­cke in funk­ti­ons­tüch­ti­gem Zustand erhal­ten: Im Sep­tem­ber 2011 began­nen die Harz­was­ser­wer­ke außer­dem damit, eini­ge ver­schüt­te­te Grä­ben, so etwa Abschnit­te des Alten Damm­gra­bens, wie­der frei­zu­le­gen.

Wei­te­re Tei­le des Was­ser­re­gals die­nen heu­te der Strom­erzeu­gung aus Was­ser­kraft, so bei­spiels­wei­se der Reh­ber­ger Gra­ben. Sein Was­ser treibt sechs klei­ne­re Kraft­wer­ke an. Ein Teil der his­to­ri­schen Stau­tei­che dient den umlie­gen­den Harz­or­ten zur Trink­was­ser­ver­sor­gung. Die Ober­har­zer Was­ser­wirt­schaft ist also nicht nur ein­zig­ar­ti­ges Kul­tur­denk­mal, son­dern spielt auch eine wich­ti­ge Rol­le im All­tag der Bewoh­ner.

Für Inter­es­sier­te, die die alten Anla­gen näher erkun­den möch­ten, bie­ten sich ein­zel­ne Teil­stü­cke sehr gut für Wan­de­run­gen an. Die frü­her für den Har­zer Berg­bau so unver­zicht­ba­ren Bau­wer­ke bil­den heu­te auf einer Flä­che von 95 Qua­drat­ki­lo­me­tern eine zau­ber­haf­te Teich- und Seen­land­schaft. An den kilo­me­ter­lan­gen Grä­ben füh­ren roman­ti­sche Was­ser­wan­der­we­ge ent­lang. Ins­ge­samt gibt es 22 davon. Sie füh­ren an Anla­gen des Was­ser­re­gals vor­bei. Die Wan­der­we­ge sind mit einem Kehr­rad als Sym­bol gekenn­zeich­net. Schil­der am Weges­rand ver­an­schau­li­chen die Funk­tio­nen der his­to­ri­schen Bau­wer­ke.

Inter­es­san­te Bei­spie­le sind der Damm­gra­ben aus dem 18. Jahr­hun­dert, der das Was­ser aus der Bro­cken-Regi­on zu den Gru­ben im 25 Kilo­me­ter ent­fern­ten Claus­thal führ­te und der rund 300 Jah­re alte Reh­ber­ger Gra­ben, der Was­ser des Oder­teichs zu den Berg­wer­ken in Sankt Andre­as­berg lei­te­te. Dort trieb das Was­ser ab dem 19. Jahr­hun­dert die Fahr­kunst der Gru­be Sam­son an, zu ihrer Betriebs­zeit eines der tiefs­ten Berg­wer­ke der Welt. Heu­te ist die Gru­be, die von 1521 bis 1910 in Betrieb war, ein Schau­berg­werk.

Auch unge­üb­te Wan­de­rer kön­nen sich an den Rund­we­gen erfreu­en

Die meis­ten Tou­ren sind als Rund­we­ge ange­legt und mit Län­gen zwi­schen 450 Metern und 12 Kilo­me­tern auch für unge­üb­te Wan­de­rer gut zu bewäl­ti­gen.

Emp­feh­lens­wert ist etwa der fünf Kilo­me­ter lan­ge Rund­wan­der­weg “Bun­ten­bo­cker Tei­che”, der an fünf his­to­ri­schen Berg­bau­tei­chen vor­bei­führt. His­to­risch inter­es­sant ist auch die 10,5 Kilo­me­ter lan­ge Rou­te “Alter Damm­gra­ben”. Der Was­ser­wan­der­weg

“Hirsch­ler Teich und Pfau­en­tei­che” führt wie­der­um an einer öst­lich von Claus­thal gele­ge­nen Teich­kas­ka­de vor­bei.

Bade­spaß im Welt­erbe – ein Frei­zeit­ver­gnü­gen der beson­de­ren Art

Der Som­mer war­tet für Besu­cher der Welt­erbe­stät­te im Ober­harz mit einem ganz beson­de­ren Erleb­nis auf:

In rund 50 Tei­chen des Was­ser­re­gals, teil­wei­se mit­ten im Wald gele­gen, darf man baden. Auch in eini­gen Tal­sper­ren ist Baden und Was­ser­sport erlaubt. Trink­was­ser­schutz­ge­bie­te und Natur­schutz­be­rei­che sind hin­ge­gen ent­spre­chend gekenn­zeich­net.

 

Foto: Pix­a­bay

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